"Architektur war meine Art, meine Ideale auszudrücken: einfach zu sein, eine Welt zu schaffen, die für alle gleich ist, die Menschen mit Optimismus zu betrachten, dass jeder eine Gabe hat. Ich will nichts anderes als allgemeines Glück." Das Zitat stammt von dem brasilianischen Architekten Oscar Niemeyer, der ab 1957 für den Entwurf aller öffentlicher Gebäude der Planhauptstadt Brasilia zuständig war – also auch jener Bauten, die jetzt von Anhängern des rechtsextremen Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro gestürmt und teils verwüstet wurden.
Niemeyer, der 2012 im Alter von 104 Jahren starb, wollte mit seiner Architektur nicht weniger als die Welt verändern – "Die Architektur ist nur ein Vorwand. Wichtig sind das Leben und der Mensch!", sagte der überzeugte Kommunist einmal. Seine futuristische und plastische Formensprache für die brasilianischen Hauptstadt drückt Zukunftsoptimismus und Lebensfreude aus; die kurvenreichen, weichen Konturen des Präsidentenpalastes oder des Parlamentsgebäudes sind das ästhetische Gegenprogramm zur Härte autoritärer Regime.
Nach der Machtergreifung des Militärs musste Oscar Niemeyer Mitte der 60er-Jahre ins französische Exil gehen. Dass die radikalen Bolsonaro–Anhänger jetzt ausgerechnet ein Eingreifen des Militärs fordern, um ihr rechtsextremes Präsidentenidol zurück ins Amt zu putschen, pervertiert alles, woran Niemeyer glaubte und baute: einer Architektur der Offenheit und Freiheit.
Viele Vergleiche wurden jetzt zwischen den Attacken auf das brasilianische Regierungsviertel und der Erstürmung des Washingtoner Kapitols vor zwei Jahren gezogen. Doch während sich die Trump-Anhänger damals in archaischer Montur ihren Weg über steinerne Treppen und durch schwere Portale erkämpften, hatten es die Bolsonaros-Fans aufgrund der Niemeyerschen Ideale relativ leicht. Ihr Weg führte über weitläufige Plazas, freitragende Treppen und begehbare Dächer, vorbei an transparenten Glasfassaden, die jetzt in Trümmern liegen.