Kunstmesse Positions

Ort für Entdeckungen

Die elfte Positions Art Fair streckt ihre Fühler nach Seoul aus. Sechs Galerien reisen aus Südkoreas Hauptstadt nach Berlin. Und auch sonst gibt es viel zu sehen


Seitdem das Vertrauen in den Marktplatz Hongkong wegen der politischen Situation eingebrochen ist, profitiert Seoul im Wettbewerb unter Asiens Kunstmetropolen. Der Zustrom internationaler Galerien und die Ankunft der Frieze-Messe haben dazu beigetragen, dass der südkoreanische Kunstmarkt verlässlich wächst. Für junge lokale Galerien ist das ein Glücksfall. Sechs von ihnen reisen aus Südkoreas Hauptstadt zur elften Ausgabe der Positions Art Fair nach Berlin. Sie gruppieren sich in den Hangars 6 und 7 des ehemaligen Flughafens Tempelhof zu einem kleinen Südkorea-Schwerpunkt.

Die Galerie ERD hat die knallbunten Werke von Kim Cham Sae im Gepäck. Die Künstlerin hat in Frankreich studiert und mit Marken wie Stella Artois gearbeitet. Koreanische Farbtechniken und besondere Textilien fließen in ihre kindliche Formensprache ebenso ein wie der Hang zu übergroßen Gesichtern, die ihre Umwelt neugierig beobachten.


Während die Aria Gallery, N Gallery, ThisWeekendRoom und Seojung Art weitere Einblicke in die facettenreiche südkoreanische Malereiszene liefern, setzen Choi&Choi auf die Britin Catherine Anholt. In ihrem Atelier in Devon mit Blick auf das Meer entstehen unzählige Zeichnungen und Gemälde, die traumhaften Motive erinnern an die Werke von Rousseau oder Matisse.


Doch natürlich geht es bei der Messe nicht nur um Südkorea. 111 Teilnehmer aus 24 Ländern sind dabei, und das Angebot ist vielfältig. Mathias Güntner (Hamburg/ Berlin) bietet mit der gebürtigen Ostberlinerin Franziska Reinbothe eine kontrastreiche Alternative zu der auf der  Messe stark vertretenen figurativen Malerei. Anstatt die Leinwand ausschließlich für das Auftragen von Farben zu verwenden, zerschneidet, faltet, vernäht und perforiert die Absolventin der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig den Bildträger, zerbricht den Keilrahmen oder spielt mit verschiedenen Stoffen.


AOA;87 wartet mit einer Premiere auf und launcht die erste Skulptur aus der neuen Serie "Freiwillig – Unfrei-willig" der Berliner Bildhauerin Margarete Adler. Zudem zeigt die in Bamberg und Berlin ansässige Galerie Werke von Bodo Korsig und Holger Schmidhuber. In digitale Ästhetik kann man am Stand der Zürcher Kate Vass Galerie mit dem Künstlerduo César Escudero Andaluz und Martín Nadal eintauchen. Deren Gemeinschaftsprojekte bewegen sich auf der Schnittstelle von Technologie und ihren Folgen für die Gesellschaft.

Wer as komplexe Projekt "Bitter-Coin" verstehen möchte, sollte etwas mehr Zeit einplanen. Es geht um gehackte alte Rechenmaschinen, die über ein Mobiltelefon ferngesteuert werden, Datenüberwachung, das Internet der Dinge und im weitesten Sinne um Medienarchäologie und Ökonomie.

Haararbeiten aus Leipzig

Bei der auf dem Leipziger Spinnerei-Gelände beheimateten Galerie Intershop erweitert Judith Miriam Escherlor mit ihren Videoinstallationen, bizarren Textilobjekten, Arbeiten aus Haaren und Schamhaaren sowie fotografischen Porträts von Leipziger Fensterkatzen noch mal den Radius. Die häusliche Sphäre ist für sie ein Schauplatz der Domestizierung und Fetischisierung des Weiblichen, ein Ort, an dem eine ihre Funktion verweigernde unscheinbare Stickerei Widerstand bedeutet.


Entdeckungen verspricht auch die Sektion der Academy Positions, die Hochschulabsolventen vorbehalten ist. Und auch die Mode findet ihren Platz: In dem Format der Fashion Positions zeigen Berliner Designer und Designerinnen ihre Inspiration.

Dieser Artikel erschien zuerst in Monopol-Sonderheft zur Berlin Art Week 2024.