Social-Media-Stars haben ein fantastisches Leben. Sie jetten um die Welt, essen die tollsten Sachen, sehen immer perfekt aus, und natürlich geht es hier vor allem um Authentizität. Authentische Filter, authentische Bildausschnitte und das vollauf authentisches Leben, das hier zelebriert wird. Nicht wenige wollen so ein Leben auch haben. Influencer sind Vorbilder. In Südkorea ist der Job des YouTube-Stars mittlerweile zum Traumberuf der meisten Schülerinnen und Schüler geworden.
Mit den Jahren ist Social Media wie Wrestling geworden. Eigentlich ist alles fake. Das wissen heute die meisten, finden es aber trotzdem gut. Diese Fake-Welt hat Implikationen auf die echte. Der TikTok-Schönheitsfilter "Bold Glamour" beispielsweise ist heute bei vielen Schönheitschirurgen sehr nachgefragt. Menschen wollen heute so aussehen wie mit virtuellem Filter. Aber was, wenn der Filter in zwei Jahren aus der Mode kommt und der nächste Gesichts-Hype durch die Feeds fegt?
Woran man sich auch gewöhnen muss, sind virtuelle Influencer auf Instagram und TikTok. In der Regel sehr gut aussehende Frauen, die (beziehungsweise die Teams dahinter) mit ihren erfolgreichen Accounts sogar Geld verdienen. Dank KI und Deepfake ist das ohne weiteres möglich. Die virtuellen Fitness- und Fashion-Influencer heißen Alice Shaw (@im_alice87 / 657.000 Follower auf Instagram), Aitana Lopez (@fit_aitana / 319.000 Follower) oder Sika Moon (307.000 Follower).
Aitana Lopez, so hieß es vor einiger Zeit, würde über 10.000 Euro im Monat verdienen. Das ist jetzt nicht die Hautevolee der Social-Media-Stars, aber einige würden für diese Followerschaft töten. Aitana ist aus Barcelona und die meisten ihrer Fans sind Männer. Aitana verdient zudem Geld mit erotischen Inhalten, die über die Bezahlplattform "Fanvue" vertrieben werden. Ein ähnliches Konzept verfolgt Emily Pelligrini. Sie schaffte es in die Schlagzeilen, weil zu viele einfach nicht glauben wollten, sie sei ein Avatar. Bekannte Fußballer und andere starteten einen Flirt mit ihr, in der Hoffnung auf ein Date. Zu schön, um wahr zu sein.
Nun sitzen Lopez und Pelligrini in der Jury für die erste Miss-AI-Wahl, in welcher der schönste sexy Avatar gekürt werden soll. Das ist zugegebenermaßen skurril. Der bekannteste virtuelle Social-Media-Star ist unterdessen Lil Miquela mit 2,5 Mio. Followern auf Instagram. Sie ist flippig, verkörpert Diversity, veröffentlicht Musik und arbeitete zuletzt als Testimonial für BMW. Der Avatar hat also ein wirklich aufregendes Leben. Hinter dieser beeindruckenden Inszenierung steckt die Agentur Brud aus Los Angeles.
Menschen ist es offenbar egal, ob etwas authentisch ist oder nicht, solange das Gezeigte unterhaltsam ist, was völlig in Ordnung ist. Dass ein Preis für die schönste KI-Frau ausgelobt wird – geschenkt. Gutes Prompting ist letztlich auch ein Handwerk.
Frauenhass lässt man an Maschinen aus
Was aber kritisch hinterfragt werden kann, sind die Frauenbilder, die hier reproduziert werden. Einsame Männer sind hier zahlende Fans einer virtuellen Gestalt, die mit Hilfe von Datenbanken gestaltet wurde, die zuvor großteils durch Männer trainiert wurden. Das Problem? KIs geben keine Widerworte, streiten nicht und setzen sich nicht zur Wehr. So werden sie programmiert. Wie Siri, Alexa und ChatGPT sind sie Dienerinnen, Assistentinnen, Subalterne.
Vor einiger Zeit gab es bereits Berichte, dass weibliche Sprachassistenten von Männern im wahrsten Sinne des Wortes missbraucht werden. Das lässt sich mit KI-Models genau so machen. Frauenhass lässt man im 21. Jahrhundert an Maschinen aus, die zeitgleich Frauen immer besser simulieren können. Das ist nicht nur befremdlich, sondern auch bedrohlich.