Kaum hat sich die Vulkanasche aus dem europäischen Luftraum verflüchtigt, nebelt Olafur Eliasson einen Museumsraum im Martin-Gropius-Bau ein. Ganz ungefährlich ist auch diese Passage nicht, weil Wände und Gegenverkehr im dichten Nebel ziemlich spät wahrnehmbar werden. Aber der Betrachter – der sich fragt, was er hier eigentlich betrachtet – wird mit einem ganz neuen Raumgefühl entlohnt. Während er Zonen verschiedenfarbigen Lichts durchschreitet, einen gefühlt grenzenlosen Raum, erlebt sich der Flaneur auch selbst auf ungewohnte Weise. Angst und Lust umarmen sich in diesem Un-Raum, der vielleicht das stärkste Statement ist in Olafur Eliassons Berliner Schau „Innen Stadt Außen“.
Das Verschieben und Auflösen von Grenzen ist ein gemeinsamer Nenner der über 28 Werke. Seit vielen Jahren lebt und arbeitet der dänisch-isländische Künstler in Berlin, aber eine institutionelle Einzelausstellung hat lange auf sich warten lassen. Fast wirkt es wie eine sanfte Rache des Langverschmähten am Museum, wenn Eliasson die Mauern des Gropiusbaus per Spiegeltrick wegzaubert, einen Parcours aus original Berliner Gehwegplatten auslegt und überhaupt ein Maximum an Stadtraum in die Wände des früheren Kunstgewerbemuseums holt.
Über- und nebeneinander liegende Impressionen Berlins bietet das kaleidoskophafte Video „Innen Stadt Außen“, für das Eliasson die Stadt mit einem Transporter durchpflügt hat, an dessen Seite eine große Spiegelfläche angebracht war. Andererseits hat der Künstler den Stadtraum bereits Wochen vor der Eröffnung mit isländischem Treibholz und experimentellen Arbeiten gespickt, um den Museumsbegriff auch von dieser Seite aus zu hinterfragen.
Im Museum gibt es viel klassischen Eliasson zu sehen – Spiele mit stroboskopbeleuchteten Wasserkaskaden, mit Lichtbrechung, Schattenwurf und additiver Farbmischung, die auf manchmal oberflächliche Weise mit Science-Centern zu konkurrieren scheinen. Selbst beim Herzstück der Ausstellung, der Spiegelinstallation „Mikroskop“, will sich über das große Staunen hinaus kaum ästhetischer Mehrwert einstellen: Im Lichthof arrangiert Eliasson einen Satz Spiegelfolien so, dass aus der vielfach reflektierten Glasdecke ein großer Illusionsraum, eine Art begehbares Kaleidoskop wird.
Weit nachhaltiger wirkt die Spiegel-Arbeit „The curious museum“, gerade weil sie auf den zweiten Blick funktioniert. Durch ein Fenster im Gropiusbau ist die reflektierte Außenfassade samt Backstein und Fassadenschmuck im Spiegel zu sehen. Und auch der Betrachter selbst steht sich im Paralleluniversum verdutzt gegenüber. Olafur Eliassons Appell an das Publikum, sich weder mit Konvention noch hochstapelnder Eventkunst abspeisen zu lassen, wird hier bestechend dingfest: Vielleicht ist das Museum an sich verwinkelter, facettenreicher, doppelbödiger, als wir es ihm zugetraut haben. Und die Ausstellung entpuppt sich am Ende als Liebeserklärung an die Institution.
Olafur Eliasson "Innen Stadt Außen", bis zum 9. August 2010 im Martin-Gropius-Bau, Berlin
Mehr Informationen zu der Ausstellung sind unter www.gropiusbau.de und www.innenstadtaussen.de zu finden.
Martin-Gropius-Bau