Podcasts bringen in Zeiten der Ausgangsbeschränkung die Welt nach Hause. Wir stellen acht Kunst-Formate vor, die helfen, die Isolation zu überbrücken
1. Verneigung vor den Kunst-Heldinnen
Jennifer Higgie, Editor at Large des Magazins "Frieze", verneigt sich vor den Frauen der Kunstgeschichte. Im "Bowdown-Podcast" unterhält sie sich mit Kuratorinnen, Kunstwissenschaftlern und Autorinnen über bekannte und übersehene Künstlerinnen, von der Renaissance-Malerin Artemisia Gentileschi bis zur 2015 verstorbenen Chantal Akerman. In den Gesprächen geht es nicht nur um das Werk, sondern vor allem auch um die Lebensgeschichten der Frauen, verständlich und kurzweilig verpackt in 20-minütigen Folgen.
"Bowdown Podcast", hier reinhören
2. Seriöses, verspieltes und radikales Denken
Das New Yorker Online-Portal "Hyperallergic" bezeichnet sich selbst als Plattform für seriöses, verspieltes und radikales Denken über Kunst in der heutigen Zeit. So geht auch der hauseigene Podcast mit Chefredakteur Hrag Vartanian aktuell brennenden Themen in der Kunst nach. Mit einzelnen oder mehreren Expert*innen diskutiert er über den Effekt von Corona auf die Kunstwelt, die Rolle von Kunstmuseen in der Kolonialismus-Debatte oder die politische Dimension von Keramik und ihre Wiederentdeckung in der zeitgenössischen Kunst.
"Hyperallergic", hier geht es zum Podcast
3. Kunst als Krimi
True-Crime-Podcasts wie "Zeit Verbrechen" oder "Serial" trenden ganz oben in den Podcast-Charts. Auch die Kunstwelt hat ihren Krimi-Podcast, gewohnt professionell produziert vom Radiosender WBUR in Boston. "Last Seen" rollt die Geschichte des spektakulärsten und größten Kunstraubs der Gegenwart auf, der nach 28 Jahren immer noch nicht aufgeklärt ist. 10 Millionen Dollar Finderlohn sind auf die 13 Rembrandts, Vermeers und Degas ausgesetzt, die 1990 aus dem Isabella Gardener Stewart Museum in Boston gestohlen wurden und von denen bis heute jede Spur fehlt. Eine Mischung aus O-Tönen, Hörspiel, Interviews und Reportage. Fesselnder als so manche Netflix-Serie.
"Last Seen", hier anhören
4. Stimmen für die Kunstgeschichte
Und noch mal zurück zu den vergessenen Frauen der Kunstgeschichte: Das Getty Research Institute öffnet für seinen Podcast die eigenen Archive und stellt sechs Künstlerinnen – Alice Neel, Lee Krasner, Betye Saar, Helen Frankenthaler, Yoko Ono und Eva Hesse – anhand von historischem Audiomaterial und Interviews aus den 60er- und 70er-Jahren und in Gesprächen mit zeitgenössischen Künstlerinnen und Kunstwissenschaftlern vor. "You would not know it was done by a woman", berichtet so zum Beispiel Lee Krasner in einem Interview aus den 70ern über die Kritik, die sie sich damals anhören musste. Der Podcast ist das beste Beispiel dafür, wie wichtig das Konservieren von Stimmen für die Kunstgeschichte ist. Oral History für Einsteiger und Fortgeschrittene.
"Recording Artists", hier geht' ins Archiv
5. Raw Material
Der Podcast des San Francisco MoMA besteht aus Mini-Serien, in denen eingeladene Podcaster-in-Residence sechs Folgen konzipieren und zeitgenössische Kunst aus einem neuen Blickwinkel betrachten, der über das übliche Geplauder hinausgeht. In der Staffel "Luvvers" spricht Kuratorin Chelsea Beck über Kunst und Sexualität und trifft dafür Künstlerinnen und Künstler, die Gender und Identität zum Thema oder Werkzeug ihrer Arbeiten machen, behandelt "Sex sells" in Kunstwerken oder die Überschneidungen zwischen Kunstwelt und queeren Communities.
"Raw Material", hier geht's zum Podcast
6. Gespräche über Gott und die aktuelle Welt
Hinter dem neusten Kunst-Podcast steckt die fiktive Figur Jerry Gogosian, ein Account, der seit Ende 2018 mit zynischen und scharf beobachteten Memes für Unterhaltung in der oft so bierernsten Instagram-Kunstsphäre sorgt. In der Corona-Quarantäne hat Jerry Gogosian ihren Podcast gestartet, um mit Menschen aus der Kunstszene über Gott und die (aktuelle) Welt zu sprechen. In einer der letzten Folgen bringt sie drei Protagonistinnen der Mailänder Kunstszene am Telefon zusammen, um über Kunst und Corona in Italien zu sprechen.
"Jerry Gogosian AM Art Radio", hier geht's zu den Diskussionsrunden
Und in Deutschland?
Wie bei so vielen digitalen Kanälen hinken Museen und Galerien in Deutschland auch bei Podcasts hinterher. Die Schirn und die Kunstsammlung NRW legen vor und nutzen das Format, um den Vorhang zur eigenen Arbeit zu lüften und Kontext zu aktuellen Ausstellungen zu liefern. Nur – wie ein Ausstellungsaufbau abläuft ist auch bei Instagram seit 2016 auserzählt.
7. Die Schirn zum Hörn
In Deutschland war die Schirn Kunsthalle die erste Kunstinstitution, die 2016 auf den Podcast-Zug aufgesprungen ist. Begleitend zu den aktuellen Ausstellungen ist der Podcast eine Mischung aus erweitertem Audioguide und Vermittlungsprogramm zu einzelnen Werken oder Künstlerinnen und Künstlern, die in der Schirn zu sehen sind. In kurzen Häppchen à 15 Minuten erfährt man Hintergrundinformationen über die Frauen des Surrealismus, den Unterschied zwischen Sound und Musik oder wird hinter die Kulissen eines Ausstellungsaufbaus mitgenommen. Gut geeignet als Einstimmung für einen Besuch in Frankfurt oder als Nachklapp auf dem Nachhauseweg.
Schirn Podcast, hier geht's ins Hör-Museum
8. Hinter die Kulissen der Kunstsammlung NRW
Der frisch gelaunchte Podcast "K20K21" der Kunstsammlung NRW verspricht "eine Tour hinter die Kulissen des Museumsbetriebs". In der Staffel zur jüngsten Ausstellung "In order of appearance", die Absolventinnen und Absolventen der Düsseldorfer Akademie zeigte, geht es darum, wie zeitgemäß das Festlegen auf ein Medium noch ist oder wie Künstlerinnen und Künstler Social Media nutzen. Ein ambitionierter Anfang mit viel Luft nach oben.
"K20K21", hier anhören