Protest und Kunst

"Extinction Rebellion" starten Aktionswoche in Osloer Skulpturenpark

In der norwegischen Hauptstadt Oslo hat die Klimaschutz-Bewegung "Extinction Rebellion" ihre Aktionswoche im Vigeland-Skulpturenpark eingeläutet. Das ist nur folgerichtig, denn die Gruppe braucht starke Bilder und die Kunst

Der norwegische Bildhauer Gustav Vigeland (1869 - 1943) hat es wie kaum ein anderer Bildhauer verstanden, zwischenmenschliche Beziehungen in Stein und Bronze zu verewigen. Im sogenannten Vigelandsparken in Oslo, einem der beliebtesten Kunstorte der Stadt, kann man Kinder beim Streiten, Männer beim Ringen und Paare jeden Alters bei zärtlichen Berührungen entdecken. Der imposante Monolith in der Mitte der Anlage besteht aus 121 ineinander verschlungenen Körpern. Auch das Werk "Livshjulet" (Lebensrad), ein Bronzekranz aus Männern, Frauen und Kindern, zeigt die irdische Existenz als ewiges Festhalten an Anderen.

In diesem Zusammenhang ist es nachvollziehbar, dass sich der nordische Ableger der Klimaschutz-Bewegung "Extinction Rebellion" (XR) den Vigelandsparken am gestrigen Montag als Startpunkt ihrer Aktionswoche in Oslo ausgesucht hat. In ihren inzwischen ikonisch gewordenen roten Roben und mit maskenhaft geschminkten Gesichtern schritten sie durch das Skulpturen-Ensemble. Die Klimakrise, so die Botschaft, können wir nur in Gemeinschaft lösen. Und zwischen den ganzen Steinkörpern wirkten auch die Aktivistinnen und Aktivisten wie Skulpturen.

Kurz vor der Wahl in Norwegen am 13. September hat "Nordic Rebellion" angekündigt, die bisher intensivste Protestwoche in dem Land mit Blockaden und Demonstrationszügen zu veranstalten. Die Gruppe fordert einen vollständigen Ausstieg aus der Ölförderung - dem Wirtschaftszweig, der das ehemals arme Norwegen zu einer der wohlhabendsten Nationen der Welt gemacht hat. Am Mittwoch soll unter anderem ein "Trauermarsch" an Institutionen in Oslo vorbeiziehen, die mit dem Ölgeschäft zu tun haben. "Es wird historisch", sagte der Aktivist Dag Kolstø der Nachrichtenagentur NTB.

Viel von Performance-Kunst gelernt

Für Aktivisten ist es heute unerlässlich, eine große Anzahl an teilbaren und infektiösen Bildern zu generieren. Kaum jemand beherrscht dies zur Zeit so gut wie die 2018 in England entstandene Bewegung. Ihr Narrativ ist das des zivilen Ungehorsams, um in Anbetracht der drohenden globalen Katastrophe die Politik zum Handeln zu zwingen. Doch die Fotos, die von ihren Aktionen um die Welt gehen, sollen keine chaotischen Szenen oder Straßenunruhen zeigen. Sie sind fein choreografierte Inszenierungen, die viel von Performance-Kunst gelernt haben.

So tauchen immer wieder die rot gewandeten Gestalten auf, die an todernste Zirkusfiguren oder apokalyptische Botschafterinnen aus der Zukunft erinnern. In Gruppen agieren sie vor der Berliner Siegessäule, dem Londoner Marble Arch oder der Oper in Sydney – und sichern so die Aufmerksamkeit der Fotografen, eine einheitliche Ästhetik und den Eindruck von einer weltweit agierenden Bewegung.

Die Kostüme, die auch ein wenig an die Uniform der Mägde in Margaret Atwoods Dystopie "The Handmaids Tale" erinnern, sind tatsächlich von Pantomime-Figuren inspiriert. Die Artistengruppe "The Invisible Circus" aus Bristol trat in ähnlicher Ausstattung in britischen Innenstädten auf, inzwischen prägt ihre "Red Brigade"-Optik die ganze "XR"-Bewegung.

"XR" wollen ins kollektive Bildgedächtnis

Viele ihrer Happenings leihen sich Strategien der Aktionskunst. In London spritzten sie eine Kunstblut aufs Finanzministerium, in Zürich färbten sie den Fluss Limmat grün. Die Kunstszene ist für die Aktivisten besonders von Interesse, weil dort Sichtbarkeit generiert wird und viel reales und symbolisches Kapital im Spiel ist. Vor der Messe Frieze London warben sie 2019 bei Sammlern und Ausstellern um Unterstützung für ihre Forderungen, per Projektor warfen sie ihr Logo und Slogans wie "Rebel for Life" an die Fassade des Londoner Museums Tate Modern. Auch in der National Portrait Gallery der britischen Hauptstadt wurde die Verflechung mit der Ölindustrie angeprangert. Dort protestierten mit brauner Flüssigkeit verschmierte "XR"-MItglieder gegen das Kunst-Sponsoring der Firma British Petroleum (BP).

Der PR-Stratege Ronan McNern schrieb vor rund zwei Jahren im "Extinction Rebellion"-Handbuch. "Wir sind wie ein Start-Up-Unternehmen, das seinen Mediendurchbruch geschafft hat. Jetzt ist es unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass es keine Eintagsfliege war."

Dazu braucht es starke Bilder. "Extinction Rebellion" wollen mit ihrer Strategie nicht nur auf die internationalen Straßen, sondern vor allem ins kollektive Bildgedächtnis, wie sie mit ihrer kunstsinnigen Parade im Vigelandsparken einmal mehr zeigen. Sie wollen nicht nur diskutieren und argumentieren, sie wollen dahin, wo die Emotionen sitzen. Die roten Gestalten gehören zu den meistfotografierten Motiven der vergangenen Jahre. Und das ist kein Zufall.