John Bock, "Unheil", Galerie Sprüth Magers
Vor der Tür der Galerie steht am Freitagabend eine Schlange, die Einlass begehrt zu einer spektakulär ausgestatteten Unterwelt. Düster ist der erste Raum, in dem John Bocks neuer Film "Unheil" gezeigt wird: Mittelalter-Setting, eine Frau hat ihr Kind verloren, ein schmieriger Schamane, gespielt von Lars Eidinger, hilft ihr mit seltsamen Ritualen. Schwarzes Blut bröckelt aus den Mündern, die in einer seltsam verstümmelten Sprache sprechen – John Bocks Welt folgt ihren eigenen Gesetzen. Im großen Raum der Galerie sitzt der maskierte Künstler selbst dann noch oben auf einem T-Träger und fummelt an kleinen Skulpturen herum, was man auf einem Bildschirm unten verfolgen kann. Schemenhaft erkennt man große Skulpturen und Installationen aus dem Filmset in der Halle, der Raum ist so dunkel, dass jede Smartphone-Kamera kapituliert und man für einmal mit den eigenen Augen schauen muss – schon dafür muss man John Bock dankbar sein. eb
Bis 19. Januar
Thomas Demands Buchpräsentation bei Walther König und Ausstellung bei Sprüth Magers
Die Buchhandlung Walther König ist eine Welt aus Papier, also gibt es keinen besseren Ort für eine Buchpräsentation von Thomas Demand, der die Welt festhält, indem er Bilder aus Papier nachbaut, sie wieder zu Bildern macht, und zu Büchern. "The Complete Papers" heißt der Überblick über sein gesamtes Schaffen aus bislang 28 Jahren. Der Künstler wohnt seit Jahren in Los Angeles, sein Büro ist aber weiterhin in Berlin, was, wie er erzählt, von großem Vorteil sei wegen der Zeitverschiebung: Jeder könne so in Ruhe arbeiten. Mehr als ein catalogue raisonné, enthält das Buch neue Texte von Jeff Wall und Alexander Kluge sowie Beiträge von Schriftstellern wie Teju Cole, Jeffrey Eugenides, Rachel Kushner, Ben Lerner oder Gary Shteyngart. Mit einigen von ihnen, erzählt der Künstler, gehe er gelegentlich in der Gruppe wandern – da könne man reden, müsse aber nicht. Am darauffolgenden Abend eröffnet seine Galerie Sprüth Magers mit neuen Werken von Demand. Anstatt selbst Modelle aus Pappe zu bauen, wendet er sich in neuen Fotoarbeiten Architekturmodellen von Hans Hollein zu, kubische Welten aus Gips, mit denen der Architekt auch immer über Architektur hinausdenken wollte. Hat man erstmal verwunden, dass hier die sanft entfremdenden Mattierungen seiner Pappwelten verschwunden sind und stattdessen Glanz, Makel, Fransen sichtbar, kann man sich auf eine weitere Dimension des Demand-Kosmos einlassen: Plötzlich wirken die Kompositionen wie abstrakte Malerei. Dass es für ihn weitergegangen ist in der letzten Zeit sieht man auch in seinen neuen Stop-Motion-Trickfilmen: "Ampel/Stoplight" zeigt eine amerikanische Fußgängerampel, man wartet bei rot, und wenn dann grün wird, wartet man weiter, bis wieder rot wird. Währenddessen kann man fasziniert darüber nachdenken, wie Demand es schafft, LED-Leuchten aus Pappe nachzubauen. Noch aufwendiger: ein paar zusammengebundene Ballons ("Balloons", 2018), deren Schatten über einen Klinkerboden streifen. Es ist dieselbe Beiläufigkeit und Alltagspoesie, mit der heute in Animationsfilmen aus den Pixar-Studios Stimmungen geschaffen werden, nur mit immensen Rechenleistungen. Die analoge Welt von Thomas Demand nimmt es auch mit dieser Disziplin auf. sh
Thomas Demand, "The Complete Papers", MACK, 80 Euro
"Archivmaterial / New Stop Motion", Galerie Sprüth Magers, bis 19. Januar
Barthélémy Toguo im Gespräch mit Hans Ulrich Obrist in der Galerie Robert Grunenberg
Ob Hans Ulrich Obrist mit seinem farbenfreudigen Pullunder der Kunst von Barthélémy Toguo seine Referenz erweisen will? Zum Künstlergespräch anlässlich von Toguos erster Einzelausstellung in Deutschland ist die elegante Altbauwohnung im Haus des Sammlers Timo Miettinen, in der neuerdings die Galerie Robert Grunenberg residiert, gut gefüllt. Das Gespräch – Fragen auf Deutsch, Antworten auf Französisch, Übersetzung in Deutsch – verläuft polyglott, aber auch etwas schleppend, doch was Toguo erzählt, ist interessant. Nach der Kunsthochschule in Abidjan besuchte er unter anderem die Kunstakademie Düsseldorf, wo es vor lauter Konzeptkunst gar kein Material mehr zum Malen gab – "Aber ich konnte nicht aufhören zu zeichnen, Zeichnen ist Leben für mich", erzählt er. Mit seiner "Bandjoun Station" in Kamerun, die ein Kunstzentrum mit einem Landwirtschaftsprojekt verbindet, will der im westlichen Kunstbetrieb erfolgreiche Künstler seiner Heimat nun etwas zurückgeben. Es könne nicht sein, dass Kunst aus Afrika am Ende immer nur im Westen gesammelt werde, so Toguo. Danach gibt es noch Buffet in Miettinens Sammlung Dahlmann: Pilze in Sahnesauce treffen auf Kochbananen und Kameruns Nationalgericht Ndolé, ein Eintopf aus Bitterspinat. Passt. eb
Barthélémy Toguos Ausstellung "Secret Evidence" läuft bis 30. November
Studio for Propositional Cinema bei Tanya Leighton
Diese Ausstellung ist ein Spiel, eine Parodie, eine frühe Retrospektive, sie macht Sprache als etwas Konkretes sichtbar, als einen Gegenstand. Auf Wandpaneelen sind Lexeme, Wörter, Satzzeichen und andere Sprachbauteile zu sehen, sie gehören zu verschiedenen Ausstellungen des 2013 in Düsseldorf gegründeten Kollektivs. Ein Vertrag ist auch ausgestellt, er soll die Lizenzbedingungen regeln, unter denen ein Interessierter diese Sprach-Elemente benutzen kann; die Galerie tritt dabei als Makler auf. Neben Überlegungen zur Sprache geht es also auch um Wirtschaftsmodelle und geistiges Eigentum. dv
Bis 19. Januar
Alisa Baremboym bei Konrad Fischer
In der ersten Einzelausstellung der New Yorker Künstlerin fällt zuerst die Faszination mit dem Material auf: Textil, Betonleinwand, Plastik, Keramik, gel-artige Substanzen. Offenbar geht es darum, Situationen im Raum zu schaffen, die auch an menschliche Interaktionen erinnern. Der Pressetext weiß mehr: Die Skulpturenserie bilde Elemente des endokrinen Systems nach, sind zumindest von regulierenden Drüsen und deren Netzwerke "inspiriert". Die seltsamen Betonleinwände, die sich um diese zarten Gebilde aufbäumen wie gefährlichen Wellen, werden auch vom Militär und in der Medizin benutzt. Körperpolitik, die Kontrolle menschlicher Bewegungen, das Management von Massen - all das kann hier mitgedacht werden und wird über Material mitgeteilt. Eine Ausstellung, die Kälte, Härte, aber auch Zartheit ausstrahlt. dv
Bis 26. Januar