Despina Stokou, Sie haben gerade einen E-mail-Dialog mit einer Sammlerin publik gemacht, die Ihnen wegen Ihrer aktuellen New Yorker Ausstellung "White Lies" schrieb. Sie zeigt sich in dieser Mail glücklich mit Trumps Politik und warnt Sie, dass das "liberale Zeug", das Sie "ausspucken", schlechte Auswirkungen auf den Verkauf Ihrer Werke haben wird. Empfinden Sie das als eine Ausnahme oder sind die meisten Kunstsammler in den USA Trump-Wähler?
Die Sammler, mit denen ich so zu tun habe, sind überwiegend Damen (und Herren) im Hosenanzug; ich gehe natürlich schon davon aus, dass Leute mit gewissen Privilegien diese wohl eher behalten wollen. Wir halten die Kunstszene gern für einen losgelösten Ort, an dem es idealistisch oder progressiv zugeht. Dem ist nicht so. Vielmehr stellt sie einfach einen kleinen, daher aber stärker akzentuierten Ausschnitt der ganzen Gesellschaft dar. Wir dachten ja auch, unsere Gesellschaft sei post-rassistisch und post-sexistisch, weil, hey!, wir haben doch einen schwarzen Präsidenten gewählt, wir sind jetzt durch! Aber wie wir sehen, stehen wir ganz am Anfang. Genau genommen fängt unsere Arbeit gerade erst an, sowohl sozioökomisch, wie auch, was für uns relevanter ist, kulturell.
Wie empfinden Sie das, wenn Menschen, die eine politisch so entgegengesetzte Meinung zu Ihnen haben, Ihre Werke besitzen?
Der Feind in meinem Bett … Das gilt aber für beide Partner, die sich auf diesen verführerischen Tango der Ambivalenz einlassen. Jerry Saltz beschäftigt sich damit in seinem jüngsten Text. Schon laut Definition spiegelt Kunst den sozioökonomischen Kontext, in dem sie entsteht. In diesem Spiegel sieht man ziemlich oft einen ausgetreckten Mittelfinger. Kunst ist Bauchsache. Kunst ist ein Leberhaken. Kunst ist fies, ungezähmt, unkontrolliert, ganz grundsätzlich too much. Kunst hat kein Geschlecht, aber zweifellos eine Orientierung - und zwar nach vorne, weiter, in Richtung Veränderung. Als Gegenstück zu dieser Dehnübung war Kunst seit jeher ein Statussymbol für die herrschenden Klassen. Heute handelt es sich dabei zwar nicht mehr um eine direkte, Medici-artige Auftragssituation, aber die Kunst untersteht doch auch finanziell dem einen Prozent der Gesellschaft, das uns auf ihren Gartenpartys Bambusgabeln für die Häppchen reicht. Nicht dass ich etwas gegen Gartenpartys hätte, zumal solche, auf denen die Hälfte der Leute noch Farbe vom Malen unter den Fingernägeln hat. Ich habe persönlich noch nicht einmal etwas gegen konservative oder neoliberale Ideen; ich ziehe die Grenze dort, wo Menschenrechte missachtet werden und weiße Überlegenheit gepredigt.
Gibt es eine realistische Chance, sich dem zu verweigern?
Würdest du dein Werk einem Wall Street Demokraten verkaufen, aber dich einem republikanischen Ölmagnaten verweigern? Achselzuckendes Emoji. Eine solche Differenzierung scheint mir nicht so sinnvoll. Wir können und sollten aber solchen Haushalten den Zugang zur Kunst verwehren, die offen unmenschlich und bigott sind. Das MoMA zum Beispiel hat sich bekanntlich geweigert, dem Weißen Haus einen Van Gogh zu leihen. Stattdessen haben sie ihnen Maurizio Catalans Klo angeboten. Und Pharrell Williams hat gerade eine Unterlassungsaufforderung an Donald Trumps Kampagnenteam geschickt, weil es kurz nach dem Massaker in Pittsburgh Williams' Hit "Happy" auf einer Wahlveranstaltung gespielt hatte.
Schwächt es Ihre Stellung auf dem Kunstmarkt, wenn Sie sich politisch äußern?
Es ist nicht das, was ich sage, was meine Position am Markt schwächt. Sondern mein Geschlecht. Meine Freundin Susan Hort hat ihre Schilder vom Women’s March zu ihrer sehr stattlichen Kunstsammlung gehängt. "Ich will", meint sie, "dass jeder, der hier hereinkommt, gleich weiß, wo ich stehe". Oder, in den Worten des jungen, nächsten Gouverneurs von Queen: "Moralische Eindeutigkeit ist in unseren Zeiten keine radikale Meinung mehr."
Haben Sie auch schon mal die gegenteilige Erfahrung gemacht - dass man sich gerade wegen des "liberalen Zeugs" für Sie interessiert?
Tatsächlich bedanken sich viele Leute dafür, dass ich aus dem täglichen Dröhnen von Informationen etwas Sinnhaftes und Schönes destilliere, dass ich aus Fragmenten ein Ganzes schaffe. Und gerade in letzter Zeit kamen viele Frauen auf mich zu, die es kathartisch fanden, dass sich jemand durch die aktuellen Geschehnisse wühlt und Stellung bezieht. Aber den großen liberalen Durchbruch, den gab es noch nicht.
Künstler und Künstlerinnen verbringen viele Abende auf schicken Essen mit Sammlern. Spricht man da über Politik, oder ist es besser, die Klappe zu halten?
Ich empfehle Small Talk über das Dessert …
Wie entgeht man dem Gefühl, zusammen mit dem Werk auch seine Ideale zu verkaufen?
Das sollten Sie Koons fragen. Ich schlafe gut.
Was haben Sie der Sammlerin geantwortet?
Ich habe meiner konservativen Freundin folgendes gesagt: Kauf die Kunst, die du unbequem findest. Wenn sie so stark ist, dass sie dich erreicht, dann wird sie dich wahrscheinlich eines Tages zumindest noch reicher machen. Schließlich bin ich in der Zukunft eine 80-jährige Künstlerin - voll angesagt in 40, 50 Jahren.