Insta-Watchlist: Nadja Buttendorf

"Stasi war voll Instagram"

In unserer Reihe Insta-Watchlist stellen wir Künstlerinnen und Künstler vor, die uns auf Instagram aufgefallen sind. Zum Start: Nadja Buttendorf

Frau Buttendorf, ist das soziale Netzwerk Instagram für Sie Fluch oder Segen?
In meiner gerade anlaufenden DDR-Web-Serie "Robotron – a tech opera"singt die Rapperin Futuremaps030: "Stasi war voll Instagram". Damit ist eine Gleichförmigkeit gemeint, der man sich durch das Verlangen nach Likes mit seinen Bildern unterwirft. Als ich mich vor einigen Jahren bei Instagram angemeldet habe, habe ich überhaupt nicht verstanden, warum man da Bilder postet. Mittlerweile habe ich die Instagram-Denkweise verinnerlicht und weiß schon vor dem Fotografieren, ob es ein gutes Instagram-Motiv ist. Die Plattform ist für mich aktuell ein Fluch, weil ich keine Lust habe, die Instagram-Logik zu erfüllen.

 

Wenn es um Nail Art geht, stehen Sie in einer Reihe mit Künstlern wie Jeremy Bailey und Jennifer Chan, Aram Bartholl haben Sie zu Ihrem Nail Art Programm "Nadja’s Nail Art Residency" eingeladen. Warum eigentlich Nail Art, die durch YouTube-Tutorials zur Nerv Art wurde?
Nail Art Studios sind fester Bestandteil des Straßenbildes und gleichzeitig sind sie Teil eines globalen popkulturellen Massenphänomens durch YouTube und Instagram. Nail Art Studios sind Orte der Körperarbeit, in denen Schönheitsideale umgesetzt werden. Fingernägel können mehr als lang und bunt sein. Fingernägel sind ein stark unterschätztes Körperteil, sie haben eine perfekte Oberfläche für experimentelle Prothetik und politische Körpererweiterungen.

Wie geht das zusammen?
Cyborgs und Body Enhancement sind typisch männlich dominierte Themenfelder, denken wir nur an den Terminator. Die weiblich konnotierte Beautybranche ist allerdings auch hochtechnisiert, Körper und Technologie sind auf verschiedenen Ebenen eng verzahnt. Ich bin Mitbegründerin des Cyborgs e.V. Berlin und seit 2015 läuft mein Projekt "Nadja's Nail Art Residency". Künstlerlinnen experimentieren dort jenseits stereotyper Körperbilder und erschließen neue Denkräume.

Sie tragen als Schmuck beispielsweise täuschend echt aussehende Extra-Ohren und einen Fingerring. Spaß, Ernst oder beides?
Wir haben einen Finger, also tragen wir einen Ring. Der "Fingerring" ist wiederum ein Ring, der einen Ring trägt. Wenn Verbesserung nur ein Argument ist, um Lösungen zu verkaufen, wie sieht dann ein Körper aus, der keiner Logik einer ständigen Verbesserung folgt? Der Schmuck wird zur Prothese, die nicht dazu dient, fehlende Körperteile zu ersetzen, sondern nicht-ökonomische, nicht-funktionale, nicht-logische Möglichkeiten zu simulieren. Der Humor ist Teil der Arbeit. Eine Frau in Los Angeles hat einen EARring bei mir gekauft, sie trägt diesen auf dem Passbild in ihrer Driver's Licence. Auf dem Foto hat sie drei Ohren. Fingerring und EARring sind Werkzeuge, um den Normkörper zu hinterfragen.

Ihre Arbeiten gehen gelegentlich im Netz viral.
Mein persönliches Goal war es, es auf 9GAG zu schaffen. Das hat geklappt mit dem „Fingerring“ und "Yes, it‘s a real EARring!"

Was hat es mit deinem Langzeitprojekt 1-euro-jewellery.eu auf sich? Kann und soll jeder beispielsweise Damenrasierer als Schmuck tragen?
Ich bin gelernte Goldschmiedin und habe Schmuckkunst in Halle an der Burg Giebichenstein studiert. 1-euro-jewellery.eu ist eine Alternative zum Angebot der konventionellen Schmuckindustrie, die meistens sehr konservativ, visionslos und langweilig ist. Was sich auch mit Blick auf die Schönheitsindustrie sagen lässt. Andererseits ist 1-euro-jewellery.eu Schmuck, der das Internet mitdenkt. Es sind meistens Selfies, in denen ich einen Gegenstand als Schmuckstück trage, das einen Euro gekostet hat. Es geht mehr um das Bild, das der Logik des Internets folgt, um ein erfolgreiches Posting zu werden. Facebook-Likes sind der zeitgenössische Schmuck. Im Online Shop 100 euro jewellery kann das 1 Euro Schmuckstück für 100 Euro erworben werden.

Wer steht ganz oben auf Ihrer Insta-Watchlist?
Ich folge gern der Künstlerin @rosalieschweiker, weil ich ihre Arbeit gut finde und ihr Instagram so unpoliert, politisch und humorvoll ist. Im Sommer war ich fasziniert von @alicia_amira, @candace_pain und den Stories von @schwestaewa.