Persische Ex-Kaiserin Farah Pahlavi im Interview

"Wir wollten das Beste"

Auf ihre Initiative hin entstand das Tehran Museum of Contemporary Art. Doch nur zwei Jahre nach der Eröffnung zwang die islamische Revolution Farah Diba Pahlavi ins Exil. Besuch bei der letzten Kaiserin von Persien

Eine holzvertäfelte Altbauwohnung mit Blick auf die Seine. Den Besucher empfangen eine Angestellte und viel persische Kunst: an den Wänden traditionelle und zeitgenössische Malerei, auf dem Parkett und Sockeln Skulpturen, dazwischen schwere Möbel, Teppiche, Vorhänge, Familienfotos. Ihre Majestät verspäte sich etwas, man möge Platz nehmen. Ein weißes Sofa, flankiert von einem Strauß weißer Orchideen. Diskrete Stille macht sich breit.

Farah Diba Pahlavi, geboren 1938 in Teheran, war die letzte Kaiserin von Persien. Als Studentin in Paris lernte sie im Frühjahr 1959 Schah Mohammad Reza Pahlavi kennen, noch im Dezember desselben Jahres fand die Hochzeit statt. Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor, doch neben der Erziehung der Kinder übernahm Farah Pahlavi auch offizielle Aufgaben, reformierte das Gesundheits- und Bildungswesen, engagierte sich für die Rechte der Frauen und förderte Kunst und Kultur.

Auf ihre Initiative hin wurden Theater und Museen gegründet, die Volkskultur und der internationale Austausch gestärkt. Das Teheraner Philharmonische Orchester erlangte mit Musikern und Leitern wie Yehudi Menuhin, Isaac Stern oder Herbert von Karajan Weltrang; auf dem 1967 gegründeten Schiras-Festival versammelte sich mit Peter Brook, John Cage, David Tudor, Karlheinz Stockhausen oder Merce Cunningham die internationale Avantgarde aus elektronischer Musik, Tanz und Theater. Während die Kultur blühte, unterdrückte der Schah sein Volk mit zunehmender Brutalität.

Ausgestattet mit Geldern der staatlichen Ölkompanie, kaufte ­Farah Pahlavis Büro iranische Kunst sowie Meisterwerke der westlichen ­Moderne und zeitgenössischen Kunst an. 1977 eröffnete das Tehran Museum of Contemporary Art (TMOCA), in dessen Sammlung sich rund 3000 Arbeiten befinden. Zwei Jahre später kam es zu Generalstreiks und Massenunruhen gegen den autokratischen Herrscher; im Januar 1979 flohen der Schah und seine Frau ins Exil. Farah Pahlavi lebt heute in Paris und in der Nähe von Washington.

Farah Pahlavi, wir sitzen hier zwischen zahlreichen Kunstwerken. Kaufen Sie noch immer Kunst?
Ich komme gerade aus einer Galerie, wo ich mir die Ausstellung eines iranischen Künstlers angesehen habe. Hin und wieder kaufe ich noch Arbeiten. Es ist mir wichtig, von iranischen Kunstwerken umgeben zu sein, es gibt mir ein Gefühl der Vertrautheit und Freundschaft. Diese kleine Statue stammt von dem Bildhauer Bahman Mohasses, sie stellt mich dar. Die Bronze daneben stammt aus der Provinz Lorestan und ist über 2000 Jahre alt. Den versilberten Asphaltklumpen schickte mir ein Künstler nach der Grünen Revolution im Iran, als die Menschen Steine auf die Polizisten warfen. Und auf diesem Blatt gedruckt steht ein Spruch, den ich im Internet gefunden habe: "Wenn du ein echter Mann bist, komm in den Iran und sei eine Frau!" Das beschreibt die Lage der Frauen in meiner Heimat ganz gut.

Sie haben im Paris der späten 50er-Jahre Architektur studiert. Ist in dieser Zeit auch Ihr Interesse an zeitgenössischer Kunst entstanden?
Architektur war immer meine Leidenschaft. Schon als Kind habe ich kleine Sandstädte gebaut, auch mein Onkel arbeitete als Architekt. Natürlich war mein Berufswunsch für eine Frau jener Zeit eher ungewöhnlich. Im Iran gab es damals eine einzige Architektin, auch in Europa war die Zahl sehr gering. Aber mir war immer klar, dass ich im Freien arbeiten wollte, nicht in einem Büro. Und ich wollte gestalten. Paris bot mir sehr viele kulturelle Anregungen, ich besuchte Galerien und Museen, Lesungen und Konzerte.  

Haben Sie damals auch Künstler kennengelernt?
Zu meiner Studienzeit noch nicht, aber später als Kaiserin hatte ich die Möglichkeit, zahlreiche Künstler zu treffen – Dalí in Paris, Chagall in Südfrankreich, Henry Moore in England, Andy Warhol und Paul Jenkins in den USA.

1959 heirateten Sie Schah Mohammad Reza Pahlavi. Empfanden Sie die Treffen mit Künstlern auch als willkommenen Kontrast zum geregelten Leben am Hof?
Es war ein Vergnügen und eine Ehre, diese Künstler zu treffen. Henry Moore zeigte mir ein kleines Bild in seinem Haus und fragte: "Wissen Sie, von wem das ist?" Ich riet: "Miró" – und war sehr stolz, dass ich richtig lag. Andy Warhol kam in den Iran, nachdem ich ihn in New York besucht hatte, um Porträts von Prinzessin Ashraf Pahlavi und von mir zu machen. Ich war beeindruckt, wie klug und kenntnisreich er war. Aus heutiger Perspektive wird seine visionäre Kraft immer deutlicher. Denken Sie nur an seine Siebdrucke von Dollarnoten.

Wie würden Sie die kulturelle Situation im Iran der 60er- und 70er-Jahre beschreiben?
Wie Sie wissen, ist Iran eine der ältesten Zivilisationen der Welt. Als Kaiserin war ich bemüht, unsere traditionelle Kultur zu fördern. Also gründeten wir ein Teppichmuseum, ein Museum für Glas und Keramiken, erweiterten das Nationalmuseum. Gleichzeitig aber blühte in jener Zeit auch eine junge Kunstszene auf, die ich fördern wollte. Anfang der 60er-Jahre rief das Kulturministerium die Teheran-Biennale ins Leben, auch eröffnete eine ganze Reihe von privaten Galerien, bei denen ich Kunst für den Palast ankaufte. Geld war vorhanden, aber man musste die staatlichen Stellen und die Sammler davon überzeugen, nicht nur alte Kunst zu erwerben, sondern auch zeitgenössische. Ich erinnere mich, dass ich irgendwann eine Vernissage besuchte und dort die Künstlerin Iran Darroudi traf. Sie sagte zu mir, dass die zeitgenössischen Künstler sich einen Ort wünschten, an dem ihre Arbeiten gesammelt und gezeigt würden – in diesem Moment entstand die Idee des Museums für Gegenwartskunst.
                   
Das Tehran Museum of Contemporary Art eröffnete 1977. Warum kauften Sie dafür auch westliche Kunst an?
Nun, der Westen sammelte seit Langem schon unsere antike Kunst. Natürlich war es für uns keine Option, Werke der europäischen Antike zu erstehen, aber wir konnten moderne Kunstwerke aus dem Ausland kaufen, um in einen Dialog zu treten. Auch der Bau, den mein Cousin Kamran Diba entwarf, verbindet in diesem Sinn Tradition und Moderne.

Hatten Sie das Gefühl, dass die iranischen Künstler etwas aufzuholen hatten?
In jener Zeit ja. Wir schickten unsere Künstler auch nach Paris oder New York, damit sie mit den neuesten Tendenzen in Berührung kamen. Gleichzeitig wollten wir die Bekanntheit unserer Künstler im Ausland steigern. Wenn mein Mann zu politischen Treffen ins Ausland flog, bat ich ihn oft, Kunstwerke mitzunehmen, um Transportkosten zu sparen.

Wer hat über die Ankäufe des Museums entschieden?
Wir gründeten eine kleine Einheit in meinem Büro, um über die Ankäufe zu beraten. Beteiligt waren Kamran Diba als Direktor des Museums, Donna Stein vom Museum of Modern Art in New York, der Kurator David Galloway und Karimpasha Bahadori, der Stabschef des Kabinetts. Wir trafen die Präsidenten der Auktionshäuser Christie’s und Sotheby’s, arbeiteten mit dem Kunsthändler Tony Shafrazi zusammen, besuchten Galerien und Sammlungen wie die Fondation Beyeler in Basel. Natürlich meldeten sich die Galerien auch bei uns.

Gab es ein kuratorisches Konzept für die Ankäufe, oder wollten Sie einfach das Beste der Besten?
Wir wollten das Beste. Unser Team verfügte über eine gute Expertise, welche Arbeiten die stärksten waren.

Das Geld kam aus dem Budget der staatlichen National Iranian Oil Company. Hatten Sie einen festen Ankaufsetat?
Nein, wir haben Stück für Stück entschieden, was wir haben wollen. Der Kunstmarkt lag in den 70er-Jahren am Boden, der Ölpreis aber war sehr hoch. Wir konnten einen Warhol, einen Roy Lichtenstein für 110 000 Dollar kaufen – lächerliche Preise im Vergleich zu ihrem heutigen Wert.

Die Kunst der westlichen Moderne entstand in Zeiten der Demokratisierung. Zu Zeiten der Schah-Monarchie aber wurde die Meinungsfreiheit unterdrückt, Oppositionelle wurden verfolgt. Als Sie und der Schah 1967 Berlin besuchten, löste das massive Proteste aus.
In den westlichen Medien wurde ein Zerrbild gezeichnet, da sah man nur den vermeintlichen Pomp unserer Paläste. Natürlich wurden Fehler gemacht, aber insgesamt haben wir das Land modernisiert und wichtige Reformen angestoßen. Frauen erhielten das Wahlrecht, die Polygamie wurde verboten, die Armut bekämpft, Bildung und Kultur bekamen Förderungen. Eine wichtige Landreform wurde durchgesetzt, die dann viele Großgrundbesitzer und Religiöse gegen uns aufbrachte, da sie ihre Rechte beschnitt. Iran war damals ein Land, das nach vorne blickte. Schauen Sie nur, was daraus geworden ist.

Sie haben sich immer für die Rechte der Frauen im Iran starkgemacht – achteten Sie bei den Kunstankäufen auf eine Frauenquote?
Das musste ich nicht, denn die Künstlerinnen waren zu jener Zeit anerkannt und wichtig.

Unter den Bildern der Sammlung befinden sich Akte von Picasso und Munch oder Renoirs freizügiges Gemälde "Gabrielle mit offener Bluse". Sie sammelten schwule Künstler, jüdische Künstler – wie hat die iranische Öffentlichkeit darauf reagiert?
Es gab keine negativen Reaktionen. Die Menschen waren stolz. Natürlich kann man nicht immer die ganze Bevölkerung mitnehmen. Aber vermutlich wäre das im Deutschland jener Zeit auch nicht möglich gewesen. Über Bildungs- und Kulturangebote versuchten wir, die Menschen mit der westlichen Kunst vertraut zu machen. Es gab daher im TMOCA auch ein Theater, Konferenzsäle und eine Bibliothek mit über 10 000 Kunstbänden.

Nach der islamischen Revolution im Jahr 1979 verschwand die Kunstsammlung im Depot. Was wurde danach im TMOCA gezeigt?
Ich hatte zu jener Zeit große Angst um die Sammlung. Den neuen Machthabern galten die Arbeiten als "unislamisch", alles Westliche wurde verdammt. Glücklicherweise aber wurden die Kunstwerke in Sicherheit gebracht und gut verwahrt. Mit Ausnahme meines Warhol-Porträts, das zerschnitten wurde, und Willem de Koonings Ölgemälde "Woman III", das gegen das Fragment des berühmten Manuskripts "Tahmasbi Schahnameh" aus dem 16. Jahrhundert eingetauscht wurde, ist die Sammlung weitgehend intakt geblieben. Nach 1979 wurde anfangs ausschließlich sogenannte Revolutionskunst gezeigt: Siegerposen, Männer mit Waffen in der Hand, Heldenporträts der religiösen Führer. Seit ein paar Jahren aber werden vereinzelt auch wieder westliche Werke aus der Sammlung gezeigt. Vor einiger Zeit schrieb mir eine Teheraner Künstlerin in einer E-Mail, dass sie zu Tränen gerührt war, als sie im TMOCA vor einem Mark Rothko stand. Das freut mich sehr, denn ich möchte, dass die Menschen im Iran sehen können, was sie besitzen.