Selten hat eine mittelwichtige Ausstellung in einer mittelwichtigen deutschen Kunstinstitution so viel Aufmerksamkeit bekommen wie die vergangene Woche eröffnete Schau "Im Zweifel für den Zweifel – Die große Weltverschwörung" im Düsseldorfer NRW-Forum. Die Gründe für diese Aufmerksamkeit sind für das Ausstellungshaus alles andere als erfreulich. Rund 1000 Künstler, Kuratoren, Kritiker und Kulturschaffende haben einen offenen Brief unterschrieben, der die Gruppenausstellung über Verschwörungstheorien dafür kritisiert, dass auf ihrer Künstlerliste weiße Männer die erdrückende Mehrheit darstellen: Zwölf Künstler und eine Künstlerin standen darauf, dazu drei Kollektive, eine zweite Künstlerin wurde schnell nachträglich eingeladen, als die Kritik schon öffentlich war. "Wie kann es sein, dass im Jahr 2018 in einem von öffentlichen Geldern finanzierten Ausstellungshaus erneut eine Ausstellung mit einer derartigen Quote zustande kommt? Wie kann es sein, dass eine internationale Ausstellung über globale Phänomene beinahe ausschließlich mit Werken von weißen, männlichen Künstlern konzipiert wird?", fragen die Autorinnen und Autoren des offenen Briefs.
Dass aus einem kleinen Scharmützel zwischen einem Ausstellungshaus und einigen kritischen Kuratorinnen und Künstlerinnen auf Facebook eine breite Debatte wurde, in die mittlerweile zahlreiche Medien eingestiegen sind – unter anderem berichtete der Deutschlandfunk, hat auch mit dem ungeschickten Krisenmanagement des Ausstellungshauses zu tun. Ein kritischer Post der Künstlerin Candice Breitz wurde von der Facebook-Seite des Museums zunächst gelöscht. So führt man keine Debatte. Und dann veröffentlichte Ko-Kurator Florian Waldvogel, wiederum auf Facebook, eine nur noch absurd zu nennende Verteidigung seiner männerzentrierten Schau, in der er mit vielen Worten und in Rückgriff auf Simone de Beauvoir seinen Kritikerinnen erklärte, dass sie den Feminismus falsch verstanden hätten, und mit hohem pseudophilosophischen Aufwand abstritt, dass die gleichberechtigte Repräsentation der Geschlechter in den Künsten überhaupt ein legitimes Ziel sei. Kuratieren als Vatertagsausflug für Fortgeschrittene. Da half es auch nicht mehr, dass Alain Bieber, Direktor des NRW-Forums, Fehler einräumte: Man nehme die Vorwürfe sehr ernst und diskutiere gerade intensiv, was man in Zukunft ändern könne.
Der Diskussionsbedarf dürfte allerdings groß sein, denn auch bei früheren Gruppenausstellungen im NRW-Forum musste man Künstlerinnen mit der Lupe suchen, egal ob es um das Phänomen Pizza ging oder um den Mythos Tour de France. Trotzdem ist es unfair, dass sich jetzt Alain Bieber mit seiner Ausstellungspolitik am NRW-Forum allein am Pranger wiederfindet: Er ist schließlich nicht der einzige im Kunstbetrieb, der mehr Männer als Frauen ausstellt. Auch dass der Offene Brief aus privaten E-Mail-Wechseln von Bieber mit Künstlern zitiert, ist nicht in Ordnung und wäre auch gar nicht nötig gewesen, um das Anliegen der Initiatorinnen zu vertreten.
Was man aus der Debatte mitnehmen wird, ist vor allem die Forderung des Briefes, die den Fall auf die generelle Ebene hebt und ein Umdenken fordert: Allen Akteuren und Akteurinnen im Kulturbetrieb solle unabhängig von Geschlecht und Herkunft dasselbe Recht auf Öffentlichkeit zugestanden wird. Eine offizielle Quote fordert der Brief nicht. Das wäre auch unsinnig, zumal wenn es um das Thema der ethnischen Diversität geht. Aber ein Bewusstsein für die Verantwortung, die Vielfalt der Kunstszene und auch der Gesellschaft angemessen in ihren Ausstellungen abzubilden, sollte von intelligenten Kuratoren und Kuratorinnen gleichermaßen verlangt werden können. Gerade in der Zeitgenössischen Kunst gibt es mittlerweile genauso viele interessante Künstlerinnen wie Künstler, und wenn man sich auf die Fahnen schreibt, eine internationale Ausstellung zu organisieren, dann ist es in Zeiten weltweiter Vernetzung auch kein Problem, dazu nicht nur die Buddies mit gleichem Background einzuladen. Es ist tragisch, dass in der sich ach so fortschrittlich verstehenden Kunstszene die Forderung nach dem Ende der Männerherrschaft überhaupt noch offiziell erhoben werden muss.
Auch einige einflussreiche Institutionsleiter und Leiterinnen haben den Brief unterschrieben, darunter Rein Wolfs, Direktor der Bundeskunsthalle in Bonn, Bettina Steinbrügge vom Kunstverein Hamburg, Charles Esche, Direktor des Van Abbemuseum in Eindhoven, und Udo Kittelmann, Direktor der Berliner Nationalgalerie. Das beste daran: Sie alle werden sich in Zukunft in ihren eigenen Ausstellungen daran messen lassen müssen. Und dafür könnte man den Herren in Düsseldorf eigentlich schon wieder dankbar sein.