Künstlerfilme in Venedig

Werk ohne Tiefgang

Endspurt am Lido: Florian Henckel von Donnersmarck enttäuscht mit seinem Film um Gerhard Richter, Julian Schnabel und Brady Corbet setzen mit Künstlerfilmen Glanzpunkte im Venedig-Wettbewerb

Eigentlich ist es eine Superbesetzung: Tom Schilling spielt den jungen Künstler vor seinem kometenhaften Aufstieg, Paula Beer verkörpert seine große Liebe, Sebastian Koch ist in der Rolle des Schwiegervaters mit Nazivergangenheit zu sehen. Gute Darsteller für Kurzauftritte hat Florian Henckel von Donnersmarck für seinen Wettbewerbsfilm "Werk ohne Autor" auch gefunden. Angefangen mit Lars Eidinger, der im Dresden des Jahres 1937 einen Museumsführer gibt: "Das könntest Du auch", sagt er zu dem Jungen, der fasziniert auf lauter Kandinskys, Marcs und Mondrians blickt. Obwohl es ihn, wenn es um den ganz großen "Führer" und die Reichskunstkammer ginge, doch gruseln sollte.

Gut möglich, dass Gerhard Richter die perfide "Entartete Kunst"-Ausstellung in seiner Heimatstadt Dresden wirklich gesehen hat. Hier heißt er Kurt Barnert, doch hinter der Figur steckt unzweifelhaft Deutschlands berühmtester Gegenwartskünstler. Es sind 30 Jahre Lebens- und Kunstgeschichte, von denen in 188 Filmminuten erzählt wird. Mühsam abgesessene Zeit, viel Vorhersehbares, eigentlich möchte man ständig vorspulen. Die venezianische Auswahlkommission sah es anders – und auch auf den Auslands-Oscar darf Donnersmarck – Jahre nach dem Sieg mit "Das Leben der Anderen" – jetzt wieder hoffen.

In die Kunst wird der kleine Kurt von seiner geliebten Tante eingeführt, die in einer psychischen Krise Opfer der Euthanasie-Morde der Nazis wird. In der DDR-Zeit verliebt sich der Kunststudent ausgerechnet in Ellie, die Tochter jenes Professors Seeband, der Kurts Tante ermorden ließ. Gegen den Willen des Schwiegervaters in spe, der nun unerkannt dem Sozialismus dient, heiraten die beiden. Doch Ellies Nazi-Vater sabotiert das junge Glück.

Donnersmarck, der auch das Drehbuch schrieb, verdichtet die in ihren Grundzügen wahre Geschichte zur schwer genießbaren Schmonzette um einen Hochbegabten, den Fleiß und Leidensfähigkeit zum Erfolg führen. Aber interessiert sich der Filmemacher überhaupt für Kunst? In den Szenen an der Kunstakademie Düsseldorf, Richter hat hier wirklich in den 60ern studiert, reiht sich ein Kunstklischee an das andere, bis am Ende doch Kurts "Können" (von dem wahre Kunst ja kommen soll) triumphiert. Dessen Professor van Verten (Oliver Masucci als Joseph-Beuys-Verschnitt) spachtelt riesige Fettecken und erzählt nochmal die beliebte, bei Donnersmarck nun wieder wahre, Tataren-Legende, während sein Student nach einer schlimmen Schaffenskrise endlich zur fotorealistischen Malerei findet. Zum Heureka erklingt Max Richters wabernde "Rheingold"-Musik. Wenn Kurt schließlich ein Bild malt, mit dem er den Schwiegervater-Schurken entlarvt, ist die Rosamunde-Pilcher-Höchstmarke erreicht.

Nach zwei Festivaldritteln lotet "Werk ohne Autor" den Tiefpunkt des Wettbewerbs aus. Wie viel eindrucksvoller ist das um den Goldenden Löwen konkurriende Künstlerdrama des Amerikaners Julian Schnabel gelungen! Was auch daran liegen mag, dass Schnabel auf eine große Malerkarriere zurückblickt – und von der Materie viel versteht.

Das Biopic "An der Schwelle zur Ewigkeit" um die letzten Jahre des großen Vincent van Gogh in Südfrankreich macht begreiflich, wie der Niederländer darum rang, seine inneren Bilder mit dem Gesehenen in Übereinstimmung zu bringen. Hauptdarsteller Willem Dafoe, Jahrgang 1955, ist eigentlich zu alt für den Künstler, der mit Mitte 30 einer Schussverletzung erlag. Aber perfekte Illusion wäre verfehlt. Dafoes abgezehrtes Gesicht, seine fiebrige Leidenschaft, seine liebeshungrigen Augen sind hier genau richtig.

Nachdem die vierte Version des Hollywood-Dauerbrenners "A Star is Born" mit Lady Gaga in der – schwach besetzten – Rolle der kometenhaften Pop-Aufsteigerin enttäuschte (Außer Konkurrenz), hat Brady Corbet mit dem US-Beitrag "Vox Lux" gute Chancen auf einen Preis. Natalie Portman verkörpert eigentlich die Gegenfigur der zu Höherem bestimmten Künstlerin – die mittelmäßige, noch dazu nervlich heruntergekommene Sängerin Celeste, die im Krisen-Amerika unserer Tage mit quasireligiösen Heilsversprechen zum Superstar avanciert. Corbet, der – wie am Lido schon 2015 mit "The Childhood of a Leader" – mit Bildern und Tönen arbeitet wie ein Experimentalfilmer, verbindet die Aufstiegs-Story mit einer Reihe von Massakern, einem fiktiven Schul-Amoklauf, bei dem Celeste verletzt wurde, dem Attentat vom 11. September 2001, schließlich eine Massenerschießung von Strandurlaubern in Osteuropa, bei dem die Attentäter ausgerechnet Glitzermasken von Celestes Mega-Konzerten tragen.

Brady Corbets filmischer Alptraum, in dem sich Showbiz und Terror verstörend vermischen, wurde in der Presseaufführung ausgebuht (und auch beklatscht), hat aber nichtsdestotrotz große Chancen auf einen Preis – weil der Film künstlerischen Wagemut zeigt.