Gerüchte gab es schon länger, jetzt ist es offiziell: In diesem Herbst soll in Berlin das Film- und Performanceprojekt "DAU" des russischen Regisseurs Ilya Khrzhanovsky Premiere feiern. Das so ambitionierte wie geheimnisumwobene Gesamtkunstwerk mit Konzerten, Filmvorführungen und einer interaktiven "Stadt in der Stadt" soll als Gastspiel der Berliner Festspiele stattfinden und einen Schwerpunkt am ehemaligen Mauerstreifen Unter den Linden in Mitte haben. Auch in Paris und London soll es gleichzeitig Veranstaltungen unter dem Slogan "Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit" geben, wie die Berliner Festspiele am Wochenende mitteilten.
"DAU" geht auf ein Sozialexperiment zurück, das Khrzhanovsky von 2008 bis 2011 im ukrainischen Charkow inszenierte. Dort hatte er den Sozialismus wieder auferstehen lassen und Teile einer originalgroßen sowjetischen Stadt nachgebaut - unter anderem ein wissenschaftliches Institut, an dem Episoden aus dem Leben des Nobelpreisträgers Lew Landau von 1938 bis 1968 nachgestellt wurden. Alles, was an die Gegenwart erinnerte, Technik, Mode oder Sprache, wurde aus der sowjetischen Enklave verbannt. Die Protagonisten harrten oft tagelang am Stück am Set aus, viele der gefilmten Szenen sollen aus der spontanen Interaktion zwischen den Schauspielern und ihrem realen Stress entstanden sein.
Die insgesamt 13 Kinofilme und mehrere Serien, die aus dem Material entstanden sind, sollen in Berlin nun zum ersten Mal gezeigt werden. Der mysteriöseste Teil des "DAU"-Vorhabens ist die "Stadt in der Stadt", die von den Berliner Festspielen eher krpytisch als "Installation unter anderem der Berliner Mauer" beschrieben wird. Wahrscheinlich ist, dass Khryzhanovski auch in der deutschen Hauptstadt eine Zeitkapsel errichten will. Schon im vergangenen Jahr wollte Khryzhanowsky eine Mauer rund um die Volksbühne bauen und ein Stück DDR wiederauferstehen lassen. Das Vorhaben, das den Beginn der Intendanz von Chris Dercon markieren sollte, scheiterte, nun soll die neue Mauer wohl Unter den Linden stehen. Der Trailer zu "DAU" legt nahe, dass es auch dem Publikum möglich sein soll, die sozialistische Parallelwelt zu betreten und die Schikanen eines totalitären Sytems zu erleben.
"Sie entscheiden selbst, wie weit Sie gehen", heißt es auf der Website des Projekts. Wann und wo genau die Mini-DDR entstehen wird, ist jedoch noch nicht klar. Die Genehmigungsprozesse seien im Gange, heißt es von den Berliner Festspielen.