Der Sommer bedeutet für mich so gut wie nie Urlaub, aber mit meiner Arbeit komme ich enorm viel rum. Letzten Sommer verbrachte ich in Argentinien, bin durch den Delta-del-Paraná-Fluss und dann durch Patagonien gereist und habe Aufnahmen gemacht für eine Videoinstallation.
Diesen Sommer arbeite ich an einer neuen Videoarbeit für das Kunsthaus NRW über die Geschichte des Bürokomplexes und die Bedeutung der Kunst in politischen Räumen. Meine Arbeit fokussiert auf die Büroräume ehemaliger Diktatoren. Ich war gerade deshalb in Rom, um die ehemaligen Büros von Mussolini, das ehemalige Parteigebäude der Faschisten und den Colosseo Quadrato zu filmen.
Rom kenne ich gut, weil ich 2014 in der Villa Massimo war. Es war toll, der Stadt wieder zu begegnen. Nach einem kurzen Abstecher nach Milan, um eine Lecture-Performance zu geben, mache ich mich jetzt auf den Weg nach NRW, um dort weitere Aufnahmen zu machen, bevor ich für eine Woche nach Bonn fahre, um als Jurymitglied der Videonale zu fungieren.
Gleich im Anschluss fliege ich nach Vilnius. Ich habe einen Artist-in-residence-Stipendium, um an einem neuen Video-Essay zu arbeiten. Mich interessieren dort besonders die Diskussionen um ehemalige kommunistische Mahnmale, die ersetzt werden sollen. Ich nutze die Zeit auch, um eine Solo-Ausstellung vorzubereiten, die im Herbst im Contemporary Art Center Vilnius eröffnet.
So richtig Pause gibt es bei mir also nicht, aber die Projekte an denen ich arbeite, zwingen mich dauernd zum Perspektivenwechsel, was ein extrem wichtiges Anliegen in meiner Arbeit ist; Dekolonisieren vom Geschichte und raus aus dem Ethnozentrismus, das hält mich gut auf Trab. Ich gestehe, ich stehe manchmal etwas ermattet in irgendeiner Flughafenhalle und sehne mich nach mehr Zeit zum Lesen, baue mir immer wieder neue personalisierte "Rankinglisten" mit den neu ergatterten Büchern auf, die ich aber kaum abarbeite, weil eine Recherchelektüre der nächsten folgt. Ich denke mir aber trotzdem jedes Mal trotzt Müdigkeit und Leben-aus-dem-Koffer: Ich habe schon ein geiles Leben. Bei all dem Arbeitspensum diesen Sommer tröstet mich immer wieder der Gedanke an den kommenden Winter, den mache ich mir nämlich zum Sommer, da geht es nahtlos zum Filmen in die Wüste Israels, später nach Marokko und dann endlich zu meiner Familie auf die Kanaren.
Und wenn in Berlin der Winter anfängt zu lang zu werden, mache ich mich bereits auf den Weg nach Bolivien und Peru, um eine neue Recherche anzufangen. Ein Projekt jagt das nächste, ein Sommer jagt den nächsten.