UdK - Die Revolutionäre: Unzumutbar, erbärmlich und die beste Kunst seit langem
Der Fachbereich Freie Kunst der Berliner Universität der Künste (UdK) ist in Aufruhr, die Studentenschaft in zwei Fraktionen gespalten. Die eine protestiert und stellt ihre Arbeiten auf neutralem Boden im Bezirk Wedding aus. Die andere ist in der UdK geblieben – und protestiert auch. Und zwar gegen die Personalpolitik der Verwaltung, mit der es offenbar nicht zum besten steht. Gleich drei Professoren der notorisch unterbesetzten UdK – Lothar Baumgarten, Daniel Richter und Stan Douglas – haben ihre Posten wegen „unzumutbarer Lehrbedingungen“ gekündigt. Nachdem auch Tony Cragg aus privaten Gründen Berlin verläßt, zeigt sich „Deutschlands größte Kunstakademie“ in zunehmend erbärmlicher Verfassung. Keine schöne Situation, vor allem für die Studierenden, denn die haben das wirklich nicht verdient: Der diesjährige „Rundgang“ ist der beste seit langem. Deshalb müßte folgende Liste eigentlich mindestens doppelt so lang sein. Keiko Kimoto (* 1977) stammt aus Kyoto. Sie ist 1999 nach Berlin gekommen, weil sie gehört hat, wie niedrig hier die Mieten sind, sie sich für Pina Bausch interessiert und die Filme von Herzog und Fassbinder mag. Außerdem findet sie Bach „cool“. Ihre Zeichnungen und Gemälde haben etwas reizend Versponnenes. Menschen, Tiere, Blumen: Was immer Kimoto malt, es wirkt faszinierend animiert. Irgendwie hängt bei ihr alles mit allem zusammen, weil die Dinge und Figuren und die reine Malerei ständig ineinander übergehen.
Benedikt Richert wurde 1980 in Bassum in Niedersachsen geboren, ist in Bayern aufgewachsen und lebt seit vier Jahren in Berlin. Auch er liebt das Uneindeutige: In einem seiner Bilder taucht eine junge Frau auf, der ein Bein zu fehlen scheint. Bis man merkt, daß sie gesund und munter ist und lediglich einen ziemlich merkwürdigen Tanzschritt vollführt. Seltsam: Auf dem zweiten Gemälde, das Richert präsentiert, kommt dieselbe Frau in derselben Pose noch einmal vor. Ist das noch Erinnerung oder schon Traum? Um seine Werke zu erklären, zitiert Richert Francis Bacon: „Ich glaube, daß Wirklichkeit in der Kunst etwas zutiefst Artifizielles ist.“
Den schönen Satz würde wohl auch Michelle Jezierski unterschreiben. Die Berlinerin mit amerikanischem Pass (* 1981) schafft Landschaften aus dem Geist der Carrera-Bahn – ungeheuer dynamische Kompositionen, die komplett irreal sind und einem gleichzeitig sehr vertraut vorkommen. Das wiederum gilt auch für die Arbeiten von Stephanie Backes, 1982 geboren, Bildhauerin aus der „Außer
Haus“-Sezession mit einem Faible für Kleinteiligkeit. Sie nimmt zum Beispiel einen echten Kassettenrekorder, verkleidet ihn mit weißem Halbkarton und ziseliert darauf lauter winzige Fächer, Schubladen, Balkone und Terrassen – und schon wird daraus ein Haus, ein Wissensspeicher, die Paraphrase eines Archivs als Ort eines virtuellen Gedächtnisses. Sehr altmodisch, sehr zeitgenössisch. Und sehr vielversprechend.
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