Die zwei Typen auf dem braunen Ledersofa sind wie aus einem Alptraum des braven weißen Bürgers entsprungen. Der rechte trägt eine Art goldenen Maulkorb, dazu schwere Goldketten zum tätowierten nackten Oberkörper: tribaler Style ins Extreme getrieben. Der linke, auch er zeigt kettenbehängten muskulösen Oberkörper, streckt den ausgestreckten Zeigefinger im internationalen Zeichen für: "Ich erschieße dich" in die Kamera.
In der aktuellen Ausstellung der Künstlerin Deana Lawson im renommierten Carnegie Museum of Arts in Pittsburgh sind noch zahlreiche andere Fotografien zu sehen, die schwarzes Leben in den USA, aber auch in Afrika zeigen. Nicht alle sind so martialisch. Aber viele irritieren, denn sie balancieren irgendwo zwischen dem Klischee und dessen selbstbewusster Brechung.
Die 1979 geborene Afroamerikanerin porträtiert Fremde, die sie auf der Straße anspricht und deren Vertrauen sie gewinnt. Ihre Bilder zeigt die Porträtierten in sorgfältig eingenommenen Posen in ihren oft ärmlichen Interieurs. Manchmal sind sie nackt, und wenn sie es nicht sind, dann zeigen sie trotzdem eine überraschende, fast irritierende Intimität. Eine ältere Frau hebt den Rock, damit man ihre Beinprothese sieht. Ein Paar steht ineinander verschlungen in der Küche, mit einer derart intimen Ausstrahlung, dass man sich als Voyeur ertappt fühlt. "Es geht darum, einen anderen Wertestandard einzuführen und zu sagen, dass das schwarze Alltagsleben schön ist, kraftvoll und intelligent", kommentiert die Künstlerin.
Bei Teilen des Museumspublikums kamen die Bilder zunächst allerdings ganz anders an. Nachdem eine Frau nach der Eröffnung einen Film mit ihrem kurzen Ausstellungsrundgang auf Facebook gestellt hatte, gab es wütende Proteste: Hier werden Klischees über schwarzes Leben ins Museum gebracht, hieß es. Die gleichen Bilder, die die Künstlerin als emanzipatorisch verstand, wurden von den Leuten als gruselig und diffamierend empfunden. Sie seien eine "rassistische Beleidigung", schrieb ein Kommentator auf die Facebook-Seite des Museums.
Das Museum reagierte schnell auf die Vorwürfe und stellte den Bildern mehr Informationen über die Künstlerin und ihre Intentionen zur Seite. Die verletzten Reaktionen vieler schwarzer Betrachter führt der Autor Antwaun Sargent in einem langen Aufsatz auf die Tatsache zurück, dass die Museen an sich ihre Geschichte als Denkmäler weißer Überlegenheit noch längst nicht aufgearbeitet haben. "Die Wut über Lawsons Ausstellung hat weniger mit dieser spezifischen Institution zu tun als mit dem systematischen Problem von Rassismus und Ungleichheit. Die Museen sind kaputt, weil Amerika kaputt ist."
Die Schriftstellerin Zadie Smith hat in einem äußerst lesenswerten Essay die Kunst der Deana Lawson verteidigt: Sie sieht in Lawsons Fotografien den verwirrenden Kontrast zwischen schwarzer Kraft und Schönheit und schwarzer Armut dargestellt, ein Königreich, bewohnt von Göttern in Diaspora.
Das Rätsel um den goldenen Maulkorb in dem Bild "Nation" aber lüftete Deana Lawson selbst, in einer umfassenden, überaus erhellenden Bildbeschreibung in einem Interview: "Rechts oben im Raum ist ein Bild von George Washingtons Gebiss – es heißt, seine Zähne seien aus den Zähnen von Sklaven und anderen Materialien gemacht gewesen. Mich interessierte diese Geschichte, der ich diese zwei jungen Männer und dieses Mundstück gegenüber stellte. Es handelt sich um eine Zahnklammer, die ich Gold angesprayt habe."
Dass die Rezeption hier offenbar in ganz verschiedene Richtung schießt, ist bedauerlich für das Museum und die Künstlerin, aber auch ein anregender Fall. Im Kunstbetrieb gilt Ambivalenz und ein Spiel mit den Codes eher als Qualitätsmerkmal denn als Problem. Vielleicht ist es aber bereits Ergebnis einer privilegierten Situation, das Spiel mit den Zeichen genießen zu können. Dass gute Absichten nicht immer als solche wirken und dass ohne ausreichende Vermittlung die Kunst ihr Ziel nicht erreicht, lernen wir von diesen Männern mit Maulkorb.