Tritt man ein in die Schulze-Welt, beängstigt einen die Selbstgewissheit ihres Schöpfers. Andreas Schulze wurde gelegentlich ein Flirt mit der Banalität unterstellt, dabei ist es wohl eher eine langandauernde Liebesbeziehung zu radikaler Simplizität, die ihm inzwischen hohen Wiedererkennungswert garantiert. Seine vermeintlich locker erarbeitete Naivität - bei gleichzeitig hoher kunsthistorischer Zitatfülle - lässt ihn einerseits unmittelbar zugänglich erscheinen. Andererseits macht seine achselzuckende Humorigkeit auch hinterrücks Spaß. Immerzu neue Neue Deutsche Welle, wenn eine biografisch naheliegende Musik-Analogie erlaubt ist.
Dem 1955 in Hannover geborene Maler, der seit 2009 an der Kunstakademie Düsseldorf lehrt, wird jetzt in der Kunsthalle Bielefeld eine recht opulente Werkübersicht gewidmet, die knapp 50 Werke versammelt und damit einen Zeitraum von den 80er-Jahren bis in die unmittelbare Gegenwart abdeckt. Schulze bezieht eine recht solitäre Position innerhalb der Figurativen in Deutschland. Auch wenn er in den 80ern der "Mülheimer Freiheit" nahestand, ging er doch einen Weg jenseits neoexpressiver Huberei.
Großformate bestimmen das Bild, mal äußerst farbig, bunt, fast psychedelisch, daneben behaupten sich aber auch die schwarz-grauen Arbeiten mit Holzkohle, die hier zu einer fast narrativ gehängten Wand zusammengestellt sind. Die großzügige, breite Blickachsen ermöglichende Architektur der Bielefelder Kunsthalle begünstigt Malerei, auch die von Schulze, bei dem nun verschiedene Werkphasen gelungen komponiert werden: Da die stilisierte Sci-Fi-Landschaft, nicht weit davon die reduktionistischen Röhren- und Würmerbilder mit waberndem Dampf und Nebel, Gasen und Schwaden, dann wieder nicht verortbare Interieurs und unbrauchbare Gebrauchsartikel, und oben gehängt auch schon mal eines dieser plastischen Fensterbilder, die gegenüber den meist dezidiert zweidimensionalen, "flachen" Werken mit einer gewissen Plastizität hervorstechen.
Neueren Datums sind Bilder mit typografischen Elementen. Eines gibt der Schau den Namen: "An Laut Leise Aus" steht da auf einem Bild auf einem entfernt an ein altes Radio erinnernden Apparat, der sich vor eine kunterbunte Landschaft gedrängt hat. Eine Serie dreier Bilder gemahnt an Gesichter-Porträts, wirklich fassbar sind die bunten Kringel nicht, auf die Spur hilft Schrift: "mie", "hör" und "himm" steht da geschrieben und über dem "mie" findet sich eine Brille, die aussieht als könne sie dem Maler gehören.
Diese findet der Besucher öfter, einmal, sehr zentral gehängt, in einer Donald-Judd-Box - nur eine von vielen kunsthistorischen Anspielungen. Es gibt auch die Kugelmotive Nays, Farbfelder, die an Albers oder Newman erinnern, farbige, poppige Streifen, die man gleich mit dem groß im Foyer hängenden Frank Stella vergleichen kann, oder Chiffrierungen im Stile Cy Twomblys. Derlei Assoziationen werden wie nebensächlich dargereicht, ohne jeden Anflug von großer Erzählung, Rechthaberei oder historischen Besserwissens.
Ein nonchalantes Achselzucken gegenüber Pathos, Poetik und Passion, allerdings auch gegenüber Ironie und Selbstermächtigung. Heitere Subversion könnte man sagen, wenn man Sinn zum Endgegner erklärte. Andreas Schulze, ein Partisan ohne Heimat. Er ist schwer zu fassen.