Eigentlich sollte Adam Szymczyks Vortrag ganz anders heißen, nämlich "How does it feel (to be a problem)", nach einem Essay des afroamerikanischen Schriftstellers W. E. B. Du Bois. Stattdessen las der polnischstämmige Kurator das Gedicht "Children of Our Time" von Wislawa Szymborska vor und verkündete, das sei nun der Titel seiner Präsentation.
Der künstlerische Leiter der vergangenen Documenta war eingeladen, am vergangenen Samstag bei der Konferenz im Neuen Berliner Kunstverein (NBK) zum Thema "Kunst/Politik" zu sprechen. Dabei zeigte Szymczyk mit selbstgeschossenen Fotografien und Textfragmenten eine ganz persönliche Sicht auf die Kunstschau und die Documenta-Stadt.
Auch die zwei Hauptvorwürfe gegen seine Leitung der Kunstschau sprach er an. Der zweite Standort der Kasseler Ausstellung stieß in Athen auf wenig Gegenliebe. Von Kolonialismus war die Rede, von Elendstourismus. Szymczyk kontert: "Es sollte gleich klar sein, dass wir diese Ambivalenz verstehen, wenn man sich heute mit einer Ausstellung wie der Documenta an einen Ort wie Athen wagt. Die Geschichte dieser Konfrontation ist viel älter als der Moment, in dem beschlossen wurde, dass die Documenta in Kassel und Athen stattfindet." Denn die Verklärung Griechenlands als Wiege abendländischer Kultur, so will Szymczyk zeigen, habe eine lange Tradition.
Das Publikum im NBK interessierte sich besonders für das Machtgefälle zwischen Kassel und Athen, die Gegenüberstellung von Zentrum und Peripherie. Daher die Frage: War sich die Documenta dieser Doppelperspektive bewusst? "Vielleicht war der doppelte Standort ein Versuch, die Machtposition aufzugeben, die Macht gleichmäßig zu verteilen. Das wurde aber ziemlich vereinfacht als ein imperialistisches Unternehmen gegen Griechenland, dieses heilige Land, interpretiert. Ich glaube nicht an diese Heiligkeit, und der Gedanke ist irgendwo verloren gegangen. Vielleicht sollte das so sein." Was hat er daraus gelernt? "Es ging nicht primär darum, irgendwo anzukommen, sondern zwischen zwei Orten zu sein. So sieht man die Dinge ganz und nicht nur Bilder in einer Ausstellung."
Der zweite großen Kritikpunkt zielte auf das Millionendefizit. Auch diesen Punkt bringt Szymczyk in seinem Vortrag unter: "Ein Vorschlag: Die Documenta gehört allen, die sie gemacht und besucht haben. Aber sie gehört nicht den gewählten Politikern. Sie gehört keiner bestimmten Person. Besucher und Künstler, Leser und Autoren sowie alle, deren Arbeit sie möglich machte, teilen die Ausstellung." Noch konkreter: "Das ist der Grundgedanke der Gemeinnützigkeit, der zur Geschäftsform der Documenta gehört. Die gGmbH bedeutet, dass sie nicht auf Profit abzielt."