"Hybrid" und "interdisziplinär" lauteten die Schlagworte der ersten Berlin Biennale im Jahr 1998. "Um die Vielschichtigkeit zeitgenössischer Kultur zu repräsentieren", erklärten die damaligen Kuratoren Klaus Biesenbach, Hans Ulrich Obrist und Nancy Spector, wurde "die Ausstellung als Forum für KünstlerInnen, ArchitektInnen, DesignerInnen, LiteratInnen, MusikerInnen, ChoreographInnen sowie Mode-, Film-, und TheatermacherInnen angelegt". Ausgangspunkt für das kuratorische Team war "der Blick auf die Stadt Berlin selbst mit ihrer hybriden kulturellen Landschaft" – man wollte "offen sein", so Biesenbach, "sich über etwas Übergreifendes verständigen".
Das Schlagwort der im Juni beginnenden 10. Berlin Biennale lautet "nein" – zumindest gemessen an den bisherigen Verlautbarungen. Die von Gabi Ngcobo kuratierte Kunstschau trägt den Titel "We don’t need another hero", das Begleitprogramm läuft gleich unter doppelter Negation: "I am not who you think I am not." Man möchte sich "von Zuschreibungen bezüglich eines spezifischen Daseins distanzieren", sich den "Annahmen darüber, wie jemand ist oder zu sein hat, entziehen." Offenbar sind die offenen Arme der kalten Schulter gewichen.
Hinter der Rhetorik steckt eine grundlegende Veränderung. Der mit der Nachwendezeit und ihren Hoffnungen auf Globalisierung und Vernetzung einsetzende Expansionskurs der Künste befindet sich mittlerweile im Umkehrmodus. Auch inhaltlich ist die Stoßrichtung eine andere: Sah die erste Berlin Biennale die Stadt im Dialog mit der globalisierten Welt, ist die kommende Biennale ganz an Fragen der Subjektivität und Identität ausgerichtet. Wie der titelgebende Tina-Turner-Song lehnt die 10. Berlin Biennale "die Sehnsucht nach einer Heldenfigur ab" und "erkundet demgegenüber das politische Potenzial von Strategien der Selbsterhaltung", wobei man sich "Zuordnungen zu bestimmten Subjektkonstitutionen" entziehen will. Statt aufeinander zu, geht man auf Distanz.
Dazu passend ist das aktuelle, von dem in New York lebenden Grafiker Maziyar Pahlevan entworfene Design der Berlin Biennale. Es zeigt ein X, das allerdings weniger den zehnten Geburtstag der Biennale markiert. Sie sei der Idee von Gedenkfeiern überdrüssig, erklärte Gabi Ngcobo kürzlich auf einer Pressekonferenz, und stets bemüht, ihre Ausstellungen außerhalb der Logik historischer Ereignisse und Narrative zu positionieren.
Dieses X bezeichnet ein Konzept der Negation. Und es verschwindet selbst im wild geometrischen Muster einer Dazzle-Camouflage. Diese Tarnungsstrategie stammt aus dem Ersten Weltkrieg und wurde vor allem auf Schiffen angebracht, um den Gegner über Fahrtrichtung, Geschwindigkeit und Größe zu täuschen. Man darf das durchaus als Kampfansage verstehen.