Mexiko, Mitte der 80er. Juan (Gael García Bernal) will nicht den Weihnachtsmann für die Verwandtschaft spielen. Das Fest sei nur deshalb nach Mexiko importiert worden, um die Kinder für den Kapitalismus zu ködern, meint der Arztsohn und ewige Student. Wenn schon verkleiden, sagt Juan, dann lieber als Quetzalcoatl, die mesoamerikanische Gottheit. Doch für dieses Fest hat er einen ganz anderen Plan: Gemeinsam mit seinem Kumpel Wilson (Leonardo Ortizgris) will Juan in das Nationalmuseum für Anthropologie in Mexiko-Stadt einbrechen.
Der wahnwitzige Coup gelingt, das Paar stopft sich lauter Maya-Kultgegenstände in die Rucksäcke und macht sich mit dem Auto von Juans Papa davon, um die unschätzbaren Güter in Acapulco zu verkaufen. Als ob das so einfach wäre, speziell im Fall der Totenmaske des Maya-Königs Pakal. Schlimmer noch für Juan und Wilson: die gesuchten Räuber eines Nationalheiligtums werden zu Staatsfeinden erklärt. Das Diebesgut stammt aus dem Tempel der Inschriften in Palenque, dem wohl berühmtesten Grabmonument des amerikanischen Kontinents, das einer der Schauplätze des Wettbewerbs-Beitrags "Museo" wird.
Titelgemäß streift der mexikanische Regisseur und Co-Autor Alonso Ruizpalacios (Best First Feature Award der Berlinale 2014 für "Güeros") immer wieder Fragen von Provenienz und Plünderung: Wem und wohin gehören Kulturgüter? War es richtig, die Artefakte aus Palenque in ein Hauptstadt-Museum zu verfrachten, statt sie im Heiligtum der Mayas zu lassen? Ironischerweise hat das Museum am Ende vom Kunstraub profitiert: Die leeren oder mit Repliken bestückten Vitrinen sind – wegen der Schlagzeilen – ein Publikumsmagnet.
Und auch die Geschichte der Forschung, der Ausgrabungen und Plünderungen ist komplex, nie schwarz oder weiß, wie die naiven Helden bei einem Treffen mit einem britischen Experten und Hehler zu hören bekommen.
"Museo" ist allerdings kein Essay über den Antikenmarkt oder Raubkunst, sondern vor allem ein Film, dessen Handlung mitreißt und der bis in die Nebenfiguren hinein mit interessanten Charakteren aufwartet. Das elegant geschriebene Drehbuch ist wie ein Amalgam verschiedener Filmgenres: Vom big caper movie – in dem das "große Ding" durchgezogen wird – über die Buddy-Geschichte bis hin zur Bewährungsprobe on the road.
Am Straßenrand prügeln sich die Freunde, die beinahe zu Kontrahenten werden. Und wie in unzähligen Hollywoodfilmen führt die Straße schließlich zum Meer, wo die Träume baden gehen. Im Coming-of-Age-Drama der Hauptfigur Juan dienen die Felsenspringer von Acapulco als motivische Klammer.
Juan hat einen der Wagemutigen auf einem Gemälde in der Arztpraxis seines Vaters betrachtet, schließlich kann er den Felsenspringern in natura bei ihren Luftsprüngen zusehen: waghalsige Jungs, die für wenig Ertrag ihr Leben riskieren. Juan ist einer jener Kinohelden, die mit dem Abenteuer sich selbst suchen. Wilson, der Zaghaftere, erzählt die Story aus dem Off. Und weiß am Ende selber nicht, was Juan schließlich gefunden hat.
Das ist das Schönste an "Museo", dass der Film seine Geschichte in der Schwebe lässt. Ruizpalacios bleibt auf ironischer Distanz, arbeitet mit formalen Verfremdungen, gaukelt seinem Publikum nie Authentizität vor. Dabei beruht „Museo“ auf einer wahren Geschichte. Oder, wie es schon in der Einführungszeile heißt: "Dieser Film ist eine Replik des Originals."