"Akademie [Arbeitstitel]" in Düsseldorf

Ich bin das Archiv

Der Kinosaal der Kunsthalle Düsseldorf ist zurzeit Atelier, Experimentallabor, Schnittraum, Studio und Archiv in einem

Im hinteren Teil des Raums zeigt Béla Pablo Janssen eine Serie von Bildern, in denen sich Anklänge von Aktzeichnungen zwischen flüchtigen Linien finden. Die skizzenhaften Szenen, jede mit einer persönlichen Geschichte verknüpft, hat er in großformatigen Siebdrucken auf Leinwand zu Stillleben arrangiert. Eine Reihe, die sich ähnelt, aber nie gleicht. Auf der linken Wand hängt seine persönliche Künstlerbiografie in Form von selbst gestalteten Postern, die er zu jeder Ausstellung, oder Präsentation gestaltet, aber auch als künstlerische Aktion einsetzt. Auf einem aus 2010 hat er den eigenen Namen mit ironischer Nonchalance über einen Pablo Picasso-Schriftzug auf einem Ausstellungsplakat "getaggt", Béla Pablo Janssen reiht sich da zwischen die großen Stars der Klassischen Moderne in der Kunstsammlung NRW.

Das letzte Poster kündigt "Béla à Benin" an: Der Künstler ist gerade zurück von einer Reise nach Cotonou, die Erlebnisse der Reise verarbeitet er in dieser Woche im Studio in der Ausstellung. Als Kind besuchte er den Onkel, der dort lebte, ein Reise-Fototagebuch seines Großvaters gab den Anlass, diese Spuren wieder aufzusuchen und aus einer Zufallsbegegnung mit der Filmemacherin Sophie de Langloy wurde eine gemeinsame Reise. Die beiden wurden vor Ort spontan eingeladen, einen Workshop an der dortigen Kunstakademie zu geben, eins führte zum anderen, und am Ende entsteht ein gemeinsamer Film. An diesem arbeiten die beiden gerade an ihrem temporären Arbeitsplatz in der Ausstellung. Stunden von Material werden gesichtet und geschnitten: Gespräche mit jungen Künstlern, mit denen sie über ihre Arbeit gesprochen haben, Alltagsszenen, das Leben, aber immer wieder auch die persönliche Geschichte, das eigene Archiv.

 

Auch Alexander Pascal Forré hat ein temporäres Atelier in der Kunsthalle bezogen und kurzerhand sein gesamtes persönliches Archiv im Raum installiert. Nummerierte Fototüten sind auf dem Boden aufgereiht, in Kisten stapeln sich alte Schulhefte und Kalender, Notizbücher und Dokumente. Seit seiner Jugend hat er immer wieder dokumentiert und gesammelt, was um ihn herum passierte. Mit dem Fotoapparat, der Videokamera, Tonbandgeräten und schließlich dem Smartphone, ein Medium löste das andere ab. Wie ein roter Faden schlängelt sich eine "Papierarbeit" durch den Raum, aneinandergeklebte Kassenbons, alles Einkäufe eines Jahres.

Er zeigt aber auch, was andere in Dokumenten über ihn festgehalten haben, Arztberichte aus der Kindheit, das erste Schulzeugnis, Ablehnungsschreiben von der Kunsthochschule, Mahnbescheide, Behördenbriefe und Gutachten.

Forré nutzt die Zeit in der Kunsthalle, um erstmal zu sichten, was er da überhaupt angesammelt hat. Und um mit den Besucher_Innen darüber ins Gespräch zu kommen, über das eigene Archiv, aber auch das Archivieren an sich. Wie gehen fremde Menschen mit privaten Gegenständen um, wenn sie in einer Ausstellung aufgebaut sind? Darf man das anfassen, und interessiert das überhaupt irgendwen? Ist das persönliche Archiv einer Berühmtheit mehr wert als das eines unbekannten Menschen? Und wie privat ist das Private, wenn man es in einem öffentlichen Raum zur Schau stellt?

Text: Leonie Pfennig