Es sieht auf den ersten Blick nicht so aus, als wäre der Betrieb in der alten Zuckerfabrik am Ufer der Saône jemals eingestellt worden: Knisternder Schaum quillt aus Plexiglas-Zylindern, ein zartes, weißes Tuch windet sich im Luftstrom großer Ventilatoren, und Wasser pumpt durch transparente Leitungen oder tropft aus Rohren in ein milchiges Becken.
Was nach abstrusem Zwitter aus Lebensmittelfabrik und Phänomenta klingt, ist der Hauptaustragungsort der 14. Auflage der Lyon-Biennale. Für den zweiten Teil seiner unter dem Motto "Modern" stehenden Biennale-Trilogie hat der künstlerische Leiter Thierry Raspail die Direktorin des Centre Pompidou-Metz, Emma Lavigne, als Kuratorin verpflichtet. Zum von ihr erdachten Titel "Mondes flottants", fließende Welten, hat sie plätschernde, tönende und fließende Arbeiten zusammengetragen. Die vielen Installationen wiederholen gebetsmühlenhaft die in Zeiten des digitalen Wandels nicht gerade bahnbrechende Botschaft der Kuratorin an die Besucher: Alles ist im Fluss, und nichts bleibt, wie es ist.
Trotz einer gewissen inhaltlichen Redundanz ist die Schau lohnend, mehr noch: Sie macht Spaß. Im Museum für moderne Kunst taucht man ein in eine von Ernesto Neto gestaltete Welt aus diffusem, farbigem Licht und organisch gespannten, samtweichen Laken. In der bereits erwähnten Zuckerfabrik La Sucrière steht man minutenlang vor Doug Aitkens "Sonic Fountain II" und schaut Wassertropfen dabei zu, wie sie synchron zu einem dazu komponierten Sound in das in den Betonboden geschlagene Wasserbecken plätschern. Céleste Boursier-Mougenot lässt im imposanten "Radome" von Buckminster Fuller klingende Keramiken aneinanderschlagen.
In einer ehemaligen Schule zeigen junge französische Künstler ihre Arbeiten, darunter Zusammenschnitte des Videospiel-Klassikers GTA: Vice City. Hier kann man sich im Minutentakt die Schuhe ausziehen, um die nächste auf Matratzen gebaute Installation betreten zu dürfen. Je länger man sich in den insgesamt vier Ausstellungsorten der Biennale bewegt, desto mehr verfestigt sich der Eindruck eines riesigen, mit Überraschungen gefüllten Kinderzimmers. Das hängt auch damit zusammen, dass die Lyon-Biennale auffallend wenig politisch ist. Sie will unterhalten, und das vor allem auf ästhetischer und sinnlicher Ebene. Das gelingt ihr gut: mit kühnen, fast wissenschaftlichen Arbeiten ebenso wie mit verspielten, von der Welt und sich selbst berauschten Installationen.