Instagram-Typologie

Sind wir nicht alle ein bisschen Influencer?

Insta-Kurator, -Künstler, -Fotograf: Auf Instagram gibt es nicht nur die belächelten Insta-Girls, sondern noch allerhand andere Influencer. Eine Typologie

Zuerst war Instagram an sich doof, dann Selfies, jetzt sind es Influencer. Gut, Selfies sind immer noch wahnsinnig doof, liest man hier und da. Nur Influencer nerven allgemein offenbar noch mehr, anders ist die tägliche Flut an Texten zum Thema nicht zu erklären. Influencer, das sind Menschen, denen ziemlich viele andere Menschen auf einem oder mehreren Kanälen in den sozialen Medien folgen und die dadurch, so die Werbelandschaft, Einfluss ausüben. Man könnte auch sagen: Influencer sind Reklametafeln auf zwei Beinen. Sie werden von Unternehmen beauftragt, um beispielsweise heute diese und morgen jene Uhr in einem Posting auf – sagen wir – Instagram zu bewerben. Im besten Fall kaufen deren Follower dann heute diese und morgen jene Uhr. Ein schöner Gedanke.

Die Modeblogger von Dandy Diary haben vor ein paar Wochen ein Video mit dem Titel  "Influencers of the 21st Century" in Anlehnung an Hans Eijkelbooms "People of the 21st Century" zusammengestellt.

 

Das ist natürlich alles sehr lustig, denn hier werden sämtliche Klischees bestätigt. Influencer essen den ganzen Tag Avocadotoast, paddeln auf Flamingo- und Einhorn-Schwimmreifen durch irgendeinen Swimming Pool, sie halten sich gern an Kaffeetassen fest, haben alle einen sehr kleinen und sehr süßen Hund und sie sitzen auch mal auf ihren Koffern herum. La-Ola-Wellen schwappten durch das Internet, wie vor zwei Jahren, als eine Barbie die gängigsten Instagram-Klischees vorführte.

 

Und da sind wir auch schon beim Problem. Wer sagt eigentlich, dass Influencer weiblich, jung und modeaffin sind und ihre Würde schon mit dem Anlegen eines Instagram-Accounts verlieren? Und wer sagt außerdem, dass nur diese weiblichen, modebloggenden Influencer, also Insta Girls à la Caro Daur, Klischees wie Laufmaschen produzieren? Die Modeblogger von Dandy Diary sind die Cool Kids Version des Influencertums. Wer sich die Mühe machen würde, in dieser Szene nach Klischees zu suchen, der würde sie finden.

Deshalb hier eine kleine Typologie, was es auf Instagram neben den Insta-Girls noch so an Klischees und typischen Bildmotiven gibt. Es fehlen: der Insta-Boy, die Selfie-Queen, das Fitness-Girl, die Foodblogger, das Cool-Kid, die Rich-Kids und so weiter, der Fokus liegt hier auf Fotografie und Kunst.

Der Instagram-Fotograf

downtown fire #berlin

Ein Beitrag geteilt von Thomas Kakareko (@thomas_k) am

 

Die Bezeichnung Instagram-Fotograf deutet es schon an. Wer ein Instagram-Fotograf ist, ist außerhalb des sozialen Netzwerks eben kein Fotograf. Die Instagram-Fotografen stört das sicherlich wenig, denn da sie auch so genannte Influencer sind, können sie sich nicht über mangelnde oder schlecht bezahlte Aufträge beklagen. Die Fotografen wiederum stören sich sicherlich daran, denn was sollen sie machen, wenn jeder mit ein paar mehr Followern auf Instagram als Fotograf beauftragt wird?

Klischees und Trends ändern sich hier so schnell wie in der Mode. Vor Jahren waren Treppenhäuser in, dann Häuserfassaden, diverse Hashtags wie #strideby, #busystranger und #tinypeopleinbigplaces. Aktuell verhilft der epic style zu mehr Followern und noch mehr Werbeverträgen, kurz: tiefschwarze Stadtlandschaften, die aussehen, als hätten wir den Weltuntergang längst hinter uns.

Der Künstler

 

Der Künstler ist stets darum bemüht, alles, was auf Instagram an Bildern geteilt wird, nicht nach Fotografie oder Kunst aussehen zu lassen. Andernfalls hat man eine leicht überdrehte Diskussion in den internationalen Feuilletons an der Backe wie zuletzt Cindy Sherman: Ist Instagram jetzt also das neue Werk? Sherman derweil ist von Selfies, das war dann vielleicht doch zu nah dran am Werk, auf Sonnenuntergänge umgestiegen. Sicher ist sicher. Ihre Likes sind seither im Keller – wie bei so einem richtigen Instagrammer, wenn nicht geliefert wird, was die Follower erwarten. 

Der Instagram-Künstler

 

Instagram-Künstler hassen es, so genannt zu werden. Amalia Ulman hasst sogar Instagram, das sagte sie zumindest in einem Interview: "I hate Instagram – I used it because it's there, not because I like it." Instagram-Künstler thematisieren wie Amalia Ulman weibliche Stereotype auf Instagram und wie Andy Kassier männliche Stereotype. Das ist wirklich lustig, wenn denn die Follower merken, dass da Kunst gezeigt wird.

Der Kurator auf dem Sprung

Memorable slide from @trevorpaglen artist talk at MIT last night

Ein Beitrag geteilt von Eva Respini (@curator_on_the_run) am

 

Von den Kollegen belächelt, von den Followern bewundert. Wer möchte nicht einmal Arm in Arm mit Ai Weiwei ein Selfie machen (okay, dafür könnte man auch einfach durch Berlin-Mitte laufen) oder 37 Vernissagen in der Woche besuchen und dann auch noch für drei Selfies mit HUO posieren? Die Kollegen derweil denken: Angeber. Arbeite lieber endlich mal.

"Artnet" hat übrigens gerade ein Listicle mit dem Titel "Want to Understand the Art World? Follow These 12 Influencers on Instagram" online gestellt. Gelistet sind Sammler, Museumsmitarbeiter, Kuratoren, Kunstkritiker und Künstler. Sind wir nicht alle ein bisschen Influencer?

Der Post-Internet Künstler

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Ein Beitrag geteilt von Nicole Ruggiero (@_nicoleruggiero) am

 

Post-Internet Künstler bevorzugen die Bezeichnung Net Artists, weil das Internet ja noch da ist. Post-Internet Art erkennt der Kritiker Brian Droitcour, wenn er es sieht – wie Pornographie, das hat er zumindest so aufgeschrieben. Woran man Post-Internet Art auf jeden Fall erkennt: Wenn etwas sehr pink und sehr glatt ist, gut auf Instagram und Tumblr aussieht und wenn irgendwas mit Apple-Geräten angestellt wird.

Die Netzfeministin

 

Netzfeministinnen werden auch viel lieber Net Artists genannt. Sie mischen soziale Netzwerke wie Instagram und Facebook auf, weil sie sich nicht damit abfinden wollen, dass die Werbung uns allen Schönheitsideale vorschreibt. Sie lassen sich Haare an den Beinen, unter den Achseln und im Intimbereich wachsen, sie fotografieren sich in ihren blutigen Menstruationshöschen und sie halten pickelige Gesichter in die Kamera. Nachdem die schwedische Künstlerin Arvida Byström in den vergangenen Tagen wegen ihres Beitrags zur neuen adidas Superstar-Kampagne im Netz angefeindet wurde (das Posting kommt auf mittlerweile fast 20.000 Kommentare, sie wird per Direktnachricht über Instagram massiv bedroht), weil sie ein behaartes Bein zeigte, ist eins klar: Netzfeministinnen können gar nicht oft genug ihre Themen immer und immer wieder aufrufen.