Berlin Art Week

10 Dinge, die man auf der Art Berlin nicht verpassen sollte

Die erste Ausgabe der Messe Art Berlin, der aus der Art Berlin Contemporary hervorgegangen ist, hat am Donnerstag eröffnet. 10 Tipps für die Premiere

Warren Neidich bei Barbara Seiler
Am Stand von Barbara Seiler aus Zürich bekommt Bertholt Brecht endlich einen Stern auf dem Hollywood Walk Of Fame, eine Wahlkampftasse von Trump wird zum veritablen Wirrnisfaktor und eine überdimensionale Mindmap aus Neonlichtern erklärt, wie psychedelische Drogen, Fake News und Virtual Reality zusammenhängen. Der amerikanische Künstler und Kurator Warren Neidich, der gerade sein erstes deutsches Buch "Neuromacht" bei Merve veröffentlicht hat, zeigt hier eine gleichermaßen verkopfte wie mitreißende Schau. Spielerisch bewegt er sich zwischen Malerei, Installationen und Drucken und vermittelt humorvoll seine wissenschaftliche Agenda. Nicht nur im Schein der Neonlichter ist man hier erleuchtet.

 

Alexander Carver bei Kraupa-Tuskany Zeidler
Am Freitag eröffnet die Galerie Kraupa-Tuskany Zeidler ihre neuen Räume in der Kohlfurter Straße in Kreuzberg. Auf der Art Berlin zeigt sie schon jetzt einen neuen Künstler: Der New Yorker Alexander Carver ist die letzte Ergänzung zum jungen Programm der Galerie. Carver arbeitet mit verschiedenen Drucktechniken und setzt sich intensiv mit Fragen der Körperlichkeit auseinander. Auf der Art Berlin projiziert er ein Video eines gefesselten und gepeinigten Mannes über seine kühnen, blau-grauen Drucke.

 

Louisa Clement bei Wentrup
Die Herstellung und der Besitz des Nervengases Sarin sind weltweit verboten. Finden sich, wie zuletzt in Syrien, doch Bestände des Kampfstoffs, werden sie schnellstmöglich vernichtet. Gebunden werden kann das Gas auch, und genau das hat die Künstlerin Louisa Clement gemacht. Erhitzt man das Gas im Beisein von Glas, dann entstehen die schwarzen Brocken, die jetzt auf der Messe gezeigt werden, so erklärt es zumindest eine Mitarbeiterin der Galerie. Die lakritzbonbonartigen, scharfkantigen und im hellen Messelicht funkelnden Objekte erinnern jedenfalls nicht im Geringsten an ein tödliches Gift.

 

Ein letzter Sommertag bei Dittrich & Schlechtriem 
Eine abgeschliffene Stahlmulde, Fotos von Palmen, eine echte Palme, eine auf der Stelle schwebende, elegant surrende Drohne, verbogenes Metall an der Wand: Der Stand von Dittrich&Schlechtriem beschwört ein dystopisches, futuristisches Urlaubsparadies herauf. Der Schweizer Julian Charrière ist mit seinen kitschig-technischen Strandvisionen, Ergebnis einer verstrahlten Reise zum Bikini-Atoll, ebenso vertreten wie Dorian Gaudin, der sperrige Metallinstallationen beisteuert. Bei Dittrich&Schlechtriem kann man dem ohnehin schon kurzen Sommer nochmal nachtrauern – und sich unter Drohnen und Palmen wünschen.  

 

John Bocks Scharoun-Installation bei Sprüth Magers
Hans Scharoun (1893-1972) war ein Vertreter der organischen Architektur, der viele Wettbewerbe gewonnen aber nur wenige Entwürfe realisiert hatte. Einer ist die Philharmonie in Berlin. John Bock ist gewissermaßen ein Vertreter der organischen Kunst, der seine Installationen, Perfromances und Filme mit Pasten, Würsten und Wülsten anreichert. Die Galerie Sprüth Magers hat ihm einen ganzen Stand gewidmet. In grüne Textilwände eingebaut, hat Bock seine Version des Ateliers von Scharoun errichtet. Mit Modellen aus Drogerieartikeln und Nahrungsmitteln, Schablonen aus Bügelbrettern und Möbeln vom Sperrmüll kreiert er eine wirre Parallelordnung, die in sich allerdings vermutlich total stimmt. Ein einstündiger neuer Film, in dem Bock mitspielt, erklärt die "Alternativ-Isoliergesellschaft", in der alles platt gemacht und abgedichtet wird. Bitte auf keinen Fall verpassen: Die Gegenüberstellung der Architekten Hans Scharoun und Mies van der Rohe, und ihrer beiden benachbarten Berliner Architketur-Ikonen: die Neue Nationalgalerie aus Wattestäbchen als tragenden Säulen und verkohlten Toastscheiben als Dach und Fundament, und die Scharounsche Philharmonie als ein expressiver Strauß Wiener Würstchen.

 

Die Pop Art der Galerie Klaus Benden
Die neue Berliner Messe fächert das Programm auf, neben Gegenwartskunst gibt es auch Werke der Nachkriegsmoderne. Und gelegentlich ist es großartig, zu sehen, wie zeitgenössisch sie teilweise heute wirken. Sicher, wer am Stand der Galerie Klaus Benden aus Köln vorbeigeht, hat durch die extrem wiedererkennbaren Motive von Warhol und Lichtenstein sofort einen Hinweis auf die kunsthistorische Ära. Auch die vielen weiblichen Körper und Münder sprechen für die Zeit ihrer Entstehung. Doch zugleich stehen die Farben und die Bildkompositionen von Tom Wesselman und Co. gnadenlos gut da und zeigen, dass Klassiker sich eben dadurch auszeichnen, dass sie in jeder Zeit bestehen. Nur eine kleine frühe Warhol-Litographie von 1955 ist ein bisschen nostalgisch, „Shoe and Leg“, handkoloriertes und signiertes Unikat,  wirkt preislich mit 12.000 Euro dabei nicht abschreckend, auch nicht im Vergleich zur Gegenwartskunst.

 

Alice Neel bei Aurel Scheibler
Es passiert nicht oft, dass einen ein Bild anschaut und so festnagelt, dass man seinen Blick erst einmal nicht abwenden kann. Beim Stand von Aurel Scheibler ist es "Nancy": Die große Porträtistin Alice Neel malte ihre junge Schwiegertochter 1966. Gleich mit nach Hause nehmen ist aber schwierig: Das Gemälde kostet rund eine Million Euro.


Rebecca Ackroyd bei der Galleri Opdahl
Den Ausdruck "Body of Work" kann man bei der Britin Rebecca Ackroyd getrost wörtlich nehmen. Viele Zeichnungen und Skulpturen der 1987 geborenen Künstlerin beziehen sich auf den menschlichen Körper. In der Koje der norwegischen Galleri Opdahl liegt eine Art Brustkorb herum. Unter den brennenden – weil mit Feuer-Fototapete umwickelten – Rippenbögen wird ein Abflussdeckel sichtbar. Stadt, Müll und Tod. Die blinden Jalousien-Skulpturen an den Wänden steigern die fatale Stimmung. Endzeit in Brexitannia.
 

 

Taiyo Onorato und Nico Krebs bei Galerie Sies + Höke
Für ihr Projekt "Eurasia" ist das Fotografenduo Onorato/Krebs mit dem Auto kreuz und quer durch die Mongolei gefahren, insgesamt 15000 Kilometer. Erstmals haben sie auf ihren (insgesamt vier) Reisen in die Ukraine, nach Usbekistan oder Russland auch eine Filmkamera benutzt. Die 16-mm-Filme, die in der Koje von Sies + Höke projiziert werden, wirken wie bewegte Fotografien – zum Beispiel der Loop mit den beiden Ringkämpfern am Straßenrand.
 

 


Ulrich Wüst bei der Galerie Loock
In der Neuen Neuen Galerie der Documenta 14 fiel Ulrich Wüst, einer der bedeutesten DDR-Fotografen, mit seinen Ansichten vor sich hin gammelnder Ost-Städte und schmucken Plattenbauten deutlich raus. Aber vielleicht auch nicht: Stark auf regionale Zusammenhänge bezogene Kunst hatte ja auch einen großen Auftritt auf der Weltkunstschau. Jetzt kann man Wüsts Stadtbilder aus den 80er-Jahren von Bitterfeld, Wolgast, Magdeburg und anderen mittlerweile bunt angemalten Orten auf der Art Berlin sehen.