Ein Kürbis, ein schrumpelnder Apfel, aufgeschnittene Kiwis, Zigarettenkippen auf einem Unterteller: Wie geometrische Formen sind die Objekte in diesem Stillleben über die Bildfläche verteilt. Gegenüber die Falten eines weißen T-Shirts in Großaufnahme, ein Stück Haut für die Haut, skulptural und doch mit direktem Draht zum Körper, seinem Schweiß, seinem Sex. Dazu ist ein "Drop" kombiniert, das Bild umgeschlagenen Fotopapiers. In einem einzigen Raum kann Wolfgang Tillmans sein Universum aufspannen, das die reine Lust an der Ästhetik genauso umfasst wie das echte, lustvolle, zerbrechliche Leben, das die Neugier auf die Form vereint mit dem Sensorium für den anderen Menschen.
Tillmans' Ausstellung in der Fondation Beyeler ist, nach der Schau in der Tate Modern, seine zweite große Präsentation binnen weniger Monate. Es ist sein Jahr. Und wo die Londoner Ausstellung mehr von Dringlichkeit sprach, auch vom Aufbrechen der Formate in Musik und Aktion, so schwingt sich die Schau in der Fondation Beyeler in einem ruhigeren Tempo ein, mehr Schönheit, mehr Spiel, mehr Gesamtkunstwerk.
Es ist der ganze Tillmans, der sich hier zeigt: die frühen Körper auf den Tanzflächen, der Clubber, der auf einen Stuhl pinkelt, die abstrakten, im Labor entstandenen Formen, die Stillleben, die Sternbilder, die Porträts. Sie alle verlassen ihre Chronologie, um sich zu Ensembles zusammenzufinden, als wollten sie sich gegenseitig anschauen und sichtbar machen: damit man die Form sieht im Realismus der Weltbilder und die Welt in der Form.
In zwölf Räumen entfaltet sich so eine einzige Installation, entspinnt sich eine große Erzählung von der ästhetischen Erschließung der Welt, die im Club begann und noch im Stillleben die Frage nach dem richtigen Leben zu stellen vermag. Die Kunstgeschichte umfasst diese Erzählung wie ein Rahmen, ohne sich in den Vordergrund zu drängeln, denn dort steht schon die jeweilige Gegenwart.
Nach 25 Jahren begrüßt man manche der Menschen auf Wolfgang Tillmans' Fotos wie alte Bekannte, freut sich an dem klaren Blick der Irm Hermann und findet die innere Freiheit von Alex und Lutz auch in den Porträts einer erwachsen gewordenen Frau mit einem Baby auf dem Arm wieder. Und so wie sich aus vielen gelebten Jahren ein Leben und eine Lebenshaltung zusammensetzen, so fügen sich hier auch die Puzzleteile dieses Werkes zu einem Bildraum zusammen, der stimmiger nicht sein könnte.