Viva Arte Viva, schon recht. Aber die Venedig-Biennale kann auch ganz schön anstrengend sein. Besucher der Preview-Woche haben uns ihre schlimmsten Momente erzählt
- Der Moment, in dem man nach Venedig fliegt und in Treviso ankommt
- Der Moment, in dem in Treviso der Flixbus schon voll ist und man in den falschen Zug steigt, so dass man über Mailand nach Venedig fährt
- Der Moment, in dem man nachts um eins bei strömenden Regen endlich vor der Tür seiner Airbnb-Unterkunft steht, zwanzig Mal hintereinander erfolglos den Türcode eingibt, fünf Mal hintereinander erfolglos den Vermieter anruft
- Der Moment, in dem der superreiche Sammler dem für Olafur Eliasson bastelnden Flüchtling mit dem Lächeln eines großmütigen Sklavenhalters die Schulter tätschelt
- Der Moment, in dem man aus der Behindertentoilette der Giardini kommt, nachdem man sich dort die Hände gewaschen hat, während sich alle anderen im Waschraum vor den Kabinen die Hände waschen, und man nun also mit gewaschenen Händen an der Toiletten-Schlange vorbeigeht, wo jemand laut und angeekelt ausruft "Oh my god, he didn't wash his hands!" – und man sich tatsächlich schämt
- Der Moment, in dem einen Vaporetto-Kontrolleure (echte Kontrolleure? Betrüger?) 70 Euro Strafe abknöpfen wollen, weil man ein falsches Ticket habe, obwohl das "richtige" Ticket 1,50 Euro billiger sei, und man, da das Boot praktischerweise gerade anlegt, sich nur noch durch Flucht der ganzen Absurdität entziehen kann
- Der Moment, in dem sich vor der Toilette einer Galerieparty jemand mit den Worten "Ich kann es nicht mehr halten!" vordrängelt, ins Waschbecken pinkelt und dabei immer wieder "Scusi!" flüstert
- Der Moment, in dem man die Galerieparty verlässt, links den Eingang der im gleichen Palazzo stattfindenden anderen Party übersieht, sich stattdessen nach rechts wendet, wo man fünf Minuten bis zum Canal Grande läuft, um dann in der üblichen Party-Hysterie einem Wassertaxi-Kapitän das Ziel zu erklären, der einem sagt, dass das "nicht unbedingt weit weg" sei, er aber den Standard-Preis von 50 Euro berechnen müsse, und man sich auch noch schnapsideemäßig drauf einlässt, um dann wirklich nur zehn Meter zum Palazzo zu fahren, in dem man sich doch gerade eben noch aufgehalten hat
- Der Moment, in dem eine Frau in der Schlange vor dem deutschen Pavillon plötzlich den Blick nervös nach allen Seiten richtet und im breitesten Amerikanisch "Ich rieche Rauch! Jemand raucht!" ruft, dann die Schlange immer lauter rufend "Jemand raucht!" streng nach dem Raucher absucht, den sie jenseits der Schlange findet, woraufhin sie extra an ihm vorbeigeht, um keuchhustenhaft zu husten
- Der Moment, in dem man nach 15 Minuten den dänischen Pavillon verlassen will, weil man einen Eindruck von Kirstine Roepstorffs Arbeit erhalten hat und unbedingt weiter muss, aber feststellt, dass die Tür abgeschlossen ist und man gewaltig Platzangst bekommt
- Der Moment, an dem man verkatert und schweigend beim VIP-Brunch einer Künstlerin herumsitzt und der eigene Lover allen am Tisch erzählt, dass man sich am Abend vorher hat ausrauben lassen – betrunken
- Der Moment, in dem man die Installation von Katja Novitskova auf der Toilette des estnischen Pavillons fotografieren will und sich ein Typ reindrängelt mit den Worten "I need to piss!", um dann tatsächlich vor der Kamera in ein Klo zu urinieren, dessen Spülung nicht funktioniert
- Der Moment, in dem die superreichen Sammler sich – "Bussi, Bussi, DU AUCH DA! SO EIN SCHÖNES KLEID!" – lautstark und ausschweifend unterhalten, während unter ihren Füßen Anne Imhofs Performer gerade einen existenziellen Kampf aufführen
- Der Moment, wenn man im deutschen Pavillon jemanden, der ausdauernd Eliza Douglas' Körper aus zehn Zentimeter Entfernung abfilmt, darauf aufmerksam macht, dass die Künstler hier ein Bild kreieren, und er mit seiner Kamera dieses Bild für alle beeinträchtigt – und sein "So What!" beifällig belacht wird
- Der Moment, in dem einem der stets am dümmsten daherquatschende Kunstbetriebs-Deutsche den letzten freien Tisch in der Trattoria la Madonna wegschnappt
- Der Moment, in dem man nachts doch wieder an der Bar im Hotel Bauer endet
- Der Moment, in dem man einen Bekannten in der Damien-Hirst-Ausstellung trifft und es sich anfühlt, als träfe man seinen Chef im Puff
- Der Moment um Mitternacht am Flughafen Marco Polo, in dem der Flug gen Heimat nach stundenlanger Warterei plötzlich storniert wird, man aber nicht wieder zurück nach Venedig darf, sondern in einen Hotelbunker in der italienischen Pampa transportiert wird
- Der Moment, in dem einen der 15. Kurator genau das Gleiche über die Hauptausstellung der Biennale erzählt, wie seine Kollegen vorher
- Der Moment, in dem man bei Venedig-Hasser Julien Green liest, dass Venedig die Stadt sei, "die man nicht sterben lässt und bei lebendigen Leibe in ihren schmutzigen Wassern verfault", und man sich wie ein perverser Nekrophiler fühlt