Hundefotos auf Instagram

Waui Zaui!

Was tun, um dem Like-Wahn auf Instagram zu entkommen? Monopol-Bloggerin Anika Meier sagt: Hundefotos angucken

YouTuber haben aktuell ernsthafte Probleme mit dem Thema Schleichwerbung, Instagrammer haben ganz andere Sorgen. Viele von ihnen wollen wachsen, wachsen, wachsen, damit sie auch ganz viel Werbung machen dürfen. Irgendwie hat es sich immer noch nicht herumgesprochen, dass es nicht sonderlich cool ist, ein so genannter Micro-Influencer zu sein. Was bei Kim Kardashian glamourös aussehen mag, ist nicht so sexy, wenn man 10.000 Follower oder ein paar mehr hat. Woran erkennt man einen Instagram Addict? An der Daniel-Wellington-Uhr, an albern bunten Socken und an einem viel zu großen kastenförmigen Rucksack. Das sind die Produkte, die meist – auch noch kostenlos – auf Instagram beworben werden. Und weil es vielleicht doch ziemlich super sein könnte, wenn man drei verrückt bunte Schlüpfer geschenkt bekommt und man als Gegenleistung dafür nur ein Foto davon posten muss, wird oft einiges unternommen, damit der eigene Instagram-Account wächst.

Follower und Likes können längst gekauft werden, und das wird gemacht, als würde man nur mal schnell irgendwo online ein paar Bücher bestellen, weil man es nicht bis zur nächsten Buchhandlung schafft. Online Bücher kaufen ist okay, gegebenenfalls muss man es mit seinem Gewissen vereinbaren können, wenn Pakete bei Abwesenheit beim Buchhändler unten im Haus abgegeben werden. Beim Followerkauf möchte sich niemand erwischen lassen, das ist nämlich nicht okay und fällt schnell auf. Deshalb machen immer öfter Artikel die Runde, in denen Alternativmethoden benannt werden. Sie möchten schneller auf Instagram wachsen? Toll, lassen Sie sich zu einem bis furchtbar vielen Comment Pods einladen. Sie wissen nicht, was ein Comment Pod ist? Wir erklären es Ihnen: "Think of pods like a group of cheerleaders who help one another on Instagram through likes and meaningful comments. (...) It's an algorithm hack that is something we can truly get behind in the spirit of community!" (Quelle: Internet) Ein Comment Pod ist also so etwas wie eine Gruppe von Cheerleadern ohne Puschel, die nicht hüpfen und tanzen, sondern auf der Couch mit dem Smartphone in der Hand rumlümmeln und hektisch Kommentare auf Instagram hinterlassen, sobald jemand in die Gruppe hineinpostet, dass ein neuer Beitrag online ist – anfeuernder Sprechgesang eben, nur anders. Längst machen Berichte von Betroffenen die Runde, die schildern, wie kräftezehrend Comment Pods sind. Schließlich kommt man zu nichts mehr, wenn den ganzen Tag das Telefon vibriert, weil 132 Leute wollen, dass man in Sekundenschnelle "Love. So beautiful. OMG" ins Kommentarfeld hämmert.

Was also tun, um dem Like-Wahn zu entkommen? Richtig, eine Möglichkeit wäre, das Smartphone aus dem Fenster zu werfen. Das erspart Ihnen das Digital Detox Camp. Eine andere Möglichkeit wäre, Instagram zu löschen, so wie Justin Bieber einst – diese Option ist also mindestens so sehr Micro-Trend wie Comment Pods und Digital Detox. Nur: Irgendwann kommen sie alle wieder, auch Justin Bieber. Oder man macht aus dem Followerkauf eine Intervention und verteilt mehrere Millionen gekaufter Follower auf ausgewählte Accounts der Kunstszene, wie der niederländische Konzeptkünstler Constant Dullaart schon 2014. Das Problem: Dann reden erst recht alle über Follower und freuen sich über die Zahlen, weil man endlich etwas hat, das Auskunft gibt über den Wert des kulturellen Beitrags eines Künstlers.

Alles nur gekauft? Egal. Diese Erfahrung machte Dullaart beim Interview mit einer Journalistin, die für die "New York Times" über Instagram und Kunst schrieb, die nach dem Gespräch mit ihm wusste, dass die Followerzahlen fake sind, das aber in ihrem Text unter den Tisch fallen ließ – was Dullaart 2015 wiederum für das "Schirn Mag" aufgeschrieben hat. Zwei oder inzwischen drei Jahre nach seiner Intervention sind wir immer noch nicht weiter. Ganz im Gegenteil, da jeder Mensch eine Marke sein kann, kann jeder Mensch versuchen, eine Marke zu werden. Dafür werden Follower und Likes benötigt. Und diese Zahlen, die lassen sich manipulieren. Und der Spaß, der ist mit den Krümeln vom ersten für Instagram fotografierten Avocado-Toast in der Sofaritze verschwunden.

Wie also verdammt nochmal dem Like-Irrsinn entfliehen? Je ne sais pas. Denn selbst Fotografen, denen Likes und Followerzahlen ziemlich egal sein könnten, sind nicht immun dagegen, wie beispielsweise der Magnum-Fotograf Alec Soth zugibt. Obwohl er ein Bewusstsein dafür habe, wie dumm das alles sei, würden ihn Likes beeinflussen, sagt er. Damit zumindest der Spaß nicht mit den Krümeln in eine Sofaritze rutscht, könnte man auf Avocado-Toast verzichten. Oder, was wirklich hilft, zumindest mir, suchen Sie sich etwas, das Größer ist als Likes. Für mich sind das Hunde. Mein Hund Jonah ist vor ziemlich genau drei Jahren verstorben, seither schaue ich jedem Hund auf der Straße hinterher. Und irgendwie bin ich seit letztem Jahr deshalb auch Mitglied einer Instagram-Chat-Gruppe, in die wir, fünf Leute an der Zahl, Hundebilder schicken. Egal, was auf Instagram gerade durch die Timeline rauscht und gelikt werden möchte, Rucksäcke, Uhren, Selfies, Sonnenuntergänge, Socken, Chia Bowls, Detox Smoothies, im Hintergrund tollen die Hunde.

Heute fotografiert man in der Regel den eigenen Hund, nicht umsonst hält sich zum Thema Instagram hartnäckig das Vorurteil: Selfies, Frühstück, Haustiere. Wenn man das mit den Hundefotos etwas besser kann als der Durchschnitt, legt man dem Hund einen eigenen Account an; dann artet die Hundefotografiererei allerdings in Stress aus, weil der Hund selbst plötzlich ein gefragter Influencer ist und Werbung machen darf. Oder zumindest viral geht. Wie Rosenberg The Dog zum Beispiel, der aussieht wie sein Herrchen oder umgekehrt.

 

Wie Maddie der Coonhound, der inzwischen nicht mehr wie noch vor ein paar Jahren die ganze Zeit auf Dingen stehen muss, damit Herrchen Theron Humphrey Fotos für Instagram machen kann.

Afternoon run

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Wie der Bullterrier Jimmy, der den Liebeskummer seines Herrchens Rafael lindern konnte, nachdem seine Frau ihn mit dem Hund allein in einer leeren Wohnung zurückgelassen hat.

happy mothers day _ feliz dia das mes

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Wie Bertram The Pomeranian, dessen Habitat die New Yorker Galerie The Hole ist und der zwischen Malerei genauso niedlich genervt schaut wie auf Kunstmessen.

 

Nicht nur jeder Mensch kann eine Marke sein, auch jeder Hund. Aber daran stören wir uns in unserer Instagram-Hunde-Chat-Gruppe nicht weiter, denn es gibt ja auch noch Fotografen und Künstler mit Hunden und Hunde ohne Besitzer mit Hunde-Influencer-Ambitionen.

Elliott Erwitt erzählt gern belustigt, dass er die Hunde anbellt, wenn er sie fotografiert. So hat es sich zum Beispiel zugetragen, dass ein Hund jedes Mal in die Luft sprang, wenn er selbst bellte. Eine Hundebesitzerin hat sich nach ihrem Vierbeiner umgedreht und ihm einen Tritt verpasst, als Erwitt auf der gegenüberliegenden Straßenseite bellte. Sein Bellen klang wohl wie das des Hundes, freute er sich. Zu Hunden fühle er sich gefühlsmäßig hingezogen, manche seien Spiegelbild des Menschen, außerdem kenne er kein Tier, das dem Menschen im Hinblick auf Herz, Gefühl und Loyalität näher stehen würde, schreibt er in seinem Essay "Meine Hundstage", der die 820 Hunde verteilt auf 520 Seiten im Fotobuch "Hundeleben" begleitet.

Ein anderer Magnum-Fotograf, Alec Soth, auf Instagram bekannt als @littlebrownmushroom, bellt vermutlich nicht, wenn er seinen Hund Misha fotografiert. Zumindest hat er es mir nicht erzählt, als wir über die Fotos von Misha sprachen, die er regelmäßig auf Instagram postet. Er muss über sich selbst lachen, wenn er über die Fotos spricht, weil er sich mehr Arbeit damit macht, als eigentlich nötig, wie er sagt.

"The weeds are rising! The weeds are rising! #LBMisha

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Damit ist Soth unter den bekannteren Fotografen auf Instagram vermutlich nicht allein. Wenn man hinüber zu Stephen Shore klickt, tauchen dort immer wieder die Hunde Annabelle und Wally und die Katze Oscar auf.

Wally braves the blizzard of '17.

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Bei Ryan McGinley liegt Dick gern neben Boyfriend @botticelliangels im Bett.

Saturday Morning @botticelliangels #dickthedog

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In eines meiner Lieblingscafés in Hamburg gehe ich eigentlich nur so gern, weil der Cafébesitzer schon bald nach der Eröffnung auf den Hund gekommen ist und alle Hunde fotografiert, die zu ihm in den Laden kommen. An der Kasse steht ein kleiner Bildschirm, auf dem die Fotos durchlaufen. Elliott Erwitt hätte gebellt, ich weiß nicht, was sein Trick ist, gut muss er jedenfalls ein.

emmi & michel #milchdogs

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Ich könnte noch seitenweise Accounts mit Hundefotos aufzählen, wie den der @Wolfgang2242, oder Ihnen mehr über die Wartehunde und Kobolt the Wire erzählen, was aber sicherlich nicht alle Herzen höher schlagen lassen würde. Es soll ja auch Menschen geben, die sich mehr für Schiffscontent als für Hundecontent begeistern können – das berichtete mir zumindest kürzlich der Social-Media-Manager des Internationalen Maritimen Museums. Der kommt kaum mehr zum Schlafen, weil seine Follower ihm Tag und Nacht Detailfragen zu allen möglichen Schiffsmodellen stellen.

Wenn Sie es bis hierhin im Text geschafft haben, sind Sie ein Hundefreund. Mitglieder können wir in unserer Instagram-Hunde-Chat-Gruppe leider nicht mehr aufnehmen, sonst würden unsere Telefone den ganzen Tag vibrieren und dann könnten wir schon fast alle zusammen einen Comment Pod aufmachen, um am Ende bunte Socken bewerben zu dürfen. Das kann niemand von uns wollen. Über Hinweise auf irgendwas mit Hunden freuen wir uns aber natürlich jederzeit.