Was ist die Idee hinter der neuen Sektion "The Nineties"?
Wir wollen Kollaborationen zwischen Künstlern und Galeristen beleuchten, die einen bleibenden Effekt auf die zeitgenössische Kunst hatten. Die Galerien waren damals die treibende Kraft, nicht die Institutionen. Die Künstler haben zuerst mit den Galerien zusammengearbeitet.
Was genau war so neu in dieser Dekade?
Vor dem Hintergrund des Falls der Berliner Mauer, der Aids-Krise und des Aufkommens des Internets fragten die Künstler nach dem sozialen Kontext der Kunst. Statt um Objekte ging es um Ideen, Politik und Dematerialisation – in dieser Hinsicht genossen die Künstler große Freiheiten. Der Markt spielte noch keine so große Rolle, sodass Rirkrit Tiravanija das kreative Potenzial von Gemeinschaftsereignissen erkunden konnte, während seine Kollegen Pierre Huyghe und Jorge Pardo neue Dialoge zwischen Kunst und Literatur, Design, Performance und Video anstießen. Heutzutage scheint uns dieses Zusammenspiel selbstverständlich.
Die Galerien wollen historische Ausstellungen reinszenieren. Wie viel Nostalgie ist im Spiel?
Ich glaube nicht, dass es um Nostalgie geht. Wir leben in Zyklen, und unsere Welt ist in ständigem Fluss, sodass frühere utopische Ideen wieder auftauchen. Die 90er waren auch eine Dekade, in der Künstlerinnen wie Karen Kilimnik, Sylvie Fleury und Renée Green völlig neue Wege beschritten – auch das werden wir zeigen. Wolfgang Tillmans' allererste Ausstellung wird reinszeniert, die im Buchladen von Daniel Buchholz’ Vater stattfand; und die Galerie Massimo De Carlo lässt die Schau "Aperto '93" der Venedig-Biennale wieder aufleben, die Maurizio Cattelan und Carsten Höller bekannt machte.
Stehen die Kunstwerke auch zum Verkauf?
Ja, allerdings nicht alle: Damals bestanden viele Werke aus Debatten, Xerox-Kopien oder den Mechanismen zwischenmenschlicher Beziehungen, die kann man nicht verkaufen.
Die Geschichte kennt nur Sieger – wer sind die Verlierer jener Zeit?
Das hängt davon ab, wie man Erfolg und Niederlage definiert. Man könnte zum Beispiel sagen, dass die Young British Artists sehr erfolgreich am Markt waren, aber konzeptuell nicht so weit vorn. Die Köln/Wien/Paris-Szene mit Künstlern wie Gereon Krebber, Heimo Zobernig, Philippe Parreno oder Dominique Gonzalez-Foerster erzielte zunächst geringere Preise – aber sie hat entscheidend zu einer Neubestimmung der kuratorischen und künstlerischen Praxis beigetragen.
Wie hat sich der Markt seit den 90ern entwickelt?
Jene Generation war eher an neuen Modellen als an materiellem Erfolg interessiert. Während der letzten Jahre erlebten wir dann einen eher regressiven Markt, der sich auf klassische Flachware und Skulpturen fokussierte. Ich denke, heute sind viele Sammler wieder mehr an Ideen und Dingen interessiert, die wichtig sind und oft auch billiger als "Trophäen". Die Freiheit der 90er wird dringend wieder benötigt.