Dass Künstler bei der Arbeit allein im Atelier gern Musik hören wissen wir. Aber welche? Für die Ausstellung "My Abstract World" hat der Musikpublizist Max Dax nachgefragt – und teilweise überraschend präzise Antworten bekommen. "Ich kann bei jedem meiner Bilder rekonstruieren, welche Musik ich beim Malen gehört habe", sagte ihm beispielsweise Robert Longo. Während er im vergangenen Jahr "Study of Autumn Rhythm: Number 30, 1951 (After Pollock)" malte, eine kleinformatige Schwarz-Weiß-Zeichnung, die auf dem berühmten Gemälde des abstrakten Expressionisten beruht, habe er beispielsweise den Song "Mladic" des kanadischen Post-Rock-Kollektivs Godspeed You! Black Emperor gehört.
Wie das zusammengeht, lässt sich jetzt im Berliner me Collectors Room nachvollziehen: Dort kann man gleichzeitig das Bild betrachten und über eine App, die auf Spotify zugreift und die passende Musik streamt, den Song hören.
Insgesamt 14 Songs umfasst die Playlist, die Max Dax für die Ausstellung mit abstrakten Arbeiten aus der Sammlung Olbricht zusammengestellt hat. Nicht bei allen Künstlern hat er wirklich herausbekommen, welche Musik im Atelier lief, häufig hat er auch selbst assoziiert oder die Zusammenhänge aus der Biografie des Künstlers und der Musiker abgeleitet: So hört man zu Sigmar Polkes "Mit kleinen schwarzen Quadraten" von 1968 den NDW-Song "Wir bauen eine neue Stadt" der Band Palais Schaumburg, die sich im Umfeld von Polkes Klasse an der Hamburger Kunsthochschule fand. Und zu Federico Herreros tropisch-starkfarbigem Gemälde "Blue Mountain" von 2008 hört man einen Track von Arto Lindsay, der Elektronik und New Wave mit Bossa Nova kreuzt. Auch das passt und man wünscht sich, man könnte noch viel mehr Musik zu den Bildern hören, denn der Effekt ist wunderbar. Die Musik verlangsamt die Betrachtung und hält den Blick auf dem Bild, sie hilft dabei, sich wirklich auf die Werke einzulassen. Und sie vernetzt ein Gemälde, das man vielleicht zuletzt im Zusammenhang mit einem Auktionsrekord erwähnt fand, wieder mit der Lebenswelt des Künstlers und macht es zum Teil eines kulturellen und sozialen Zusammenhangs statt zu einer Ware.
Die schönste Anekdote zu den Bild-Musik-Kombinationen stammt übrigens von Henning Strassburger, dessen Gemälde "Soul Surfer" von 2015 entstand, nachdem der Künstler besoffen in einen Hotelpool in Las Vegas gefallen war, in der Tasche eine CD mit Blues von Lighnin' Hopkins.