Roger Eberhard, die Hilton-Hotels wurden in den 50er-Jahren zu einem weltweiten Erfolgsmodell. War ihr Standard dafür ausschlaggebend?
Conrad Hilton, der Gründer der Kette, hat mal gesagt, dass jedes Hilton-Hotel ein kleines Amerika sein soll. Die Motivation, sich weltweit einer Standardisierung auszusetzen, war damals sehr positiv konnotiert. Es war die Zeit des Kalten Krieges, und hinter der Aussage Hiltons steckt eine ideologische Gesinnung. In vielen Großstädten gehörten die Hilton-Hotels zu den ersten Wolkenkratzern, es ging auch um Präsenzmarkierung.
Was genau bedeutet "Standard" für das Hilton Hotel der Gegenwart?
Der Standard der Hiltons ist funktional, reibungslos und unterstützt eine schnelle Orientierung. Im "Hilton-Design and Construction Standards Manual" wird dieser für alle Hotels verbindliche Standard definiert: In jedem Raum befindet sich ein Clubsessel mit gepolsterten Lehnen, ein Wecker und ein Telefon auf dem Nachttisch, vier Kissen liegen auf dem Bett und alle Muster müssen aufeinander abgestimmt sein. Proportionen und Abstände, das Verhältnis zwischen Wandverkleidung, Bett, Matratze und Boden, sind zentimetergenau normiert.
Wie surreal fühlt sich dieser Standard an, wenn man ihm an 32 Orten überall auf der Welt begegnet?
Meine längste Reise ging über 14 Länder auf fünf Kontinenten in 31 Tagen. Dennoch habe ich jeden Morgen identische Vorhänge zurückgeschoben und bin am Abend unter die gleiche Bettdecke geschlüpft. Nur das Bewusstsein sagte mir noch, dass ich woanders war. Surreal ist es zwar nicht, vielleicht ein bisschen einsam. Der Standard erzeugte das Gefühl, nie wirklich anzukommen.
Wie haben Sie dieses Gefühl fotografisch in Ihre Arbeit einbringen können?
Die Sterilität der Räume und ihre ästhetische Vorhersehbarkeit passen zur Idee der Typologie. Ich habe das Zimmer 32 Mal aus dem gleichen Winkel fotografiert. Gleichzeitig imitiere ich die typischen Zimmerabbildungen wie sie auf den Hotelportalen im Web zu finden sind.
Anders als Hans-Peter Feldmann, der über Jahre die Aussicht aus Hotels, in denen er übernachtet hat, fotografiert hat, machen Sie sich den Hotelraum nicht zu eigen.
Hans Peter-Feldmann ist wesentlich präsenter in seinen Bildern, auch wenn er selbst natürlich nicht zu sehen ist. Er ist eben Feldmann: voyeuristisch, spielerisch, situativer und humorvoll. Seine Arbeit ist eher "nebenbei" entstanden. Ich war da schon wesentlich strategischer.
Weltweit gibt es 550 Hilton-Hotels in 79 Ländern. Wie haben Sie die 32 Hotels Ihrer Arbeit ausgewählt?
Flughafen-Hotels habe ich von vorneherein ausgeschlossen, weil die Idee nicht funktioniert hätte. Für mich drehte es sich ja um die Frage, warum man an fremden Orten verweilt ohne sich mit den landestypischen Eigenschaften zu konfrontieren und anstatt dessen das Unspezifische bevorzugt. Und dann war die Aussicht ausschlaggebend. Die ist in fast allen meiner Hilton Hotels fantastisch gewesen. Es ist oft eine verschobene Perspektive auf das typische Postkartenmotiv. Prag und Buenos Aires waren Ausnahmen, da habe ich nur auf gegenüberliegende Hauswände geschaut.
Nach 20 Übernachtungen bekamen Sie den Hilton HHonors Gold Status verliehen. Das war toll, oder?
Der frühe Check-in und der späte Check-out waren super ... und das nettere Lächeln am Empfang. Problematisch waren die Upgrades. In Venedig gaben Sie mir eine Wahnsinns-Suite, mit eigenem Spa-Bereich. Ich bin zur Rezeption runter getrottelt und hab nach dem Standard Zimmer unterster Kategorie gefragt ...
Wie sind die Reaktionen der Hilton-Mitarbeiter auf derartige Wünsche ausgefallen?
In Nairobi habe ich acht Zimmer angeschaut. Ich brauchte das Bett für das Funktionieren der Serie ja immer auf der rechten Seite. Die Hilton-Mitarbeiter haben in ihrer Professionalität nie eine Miene verzogen, nur in Bangkok gab es ein kleines Schmunzeln, als ich mit meinem Kumpel, der mich begleitete, auf ein King Size und nicht auf Einzelbett bestand.
Die Hilton-Arbeit folgt auf zwei vorangegangene Hotel-Arbeiten, warum Hotels?
Die Hilton-Arbeit ist die der letzte Teil einer Hotel-Trilogie. Für den ersten Teil fotografierte ich das Shanty Town Deluxe, ein 4-Sterne Hotel im Look von Slumbehausungen im südafrikanischen Bloemfontein. Ein Potemkinsches Dorf. Die Arbeit "Aussicht" habe ich aus dem Innern des in Lemberg befindlichen Citadell Inn fotografiert. In dem ehemaligen KZ starben 150.000 Leute, trotzdem verweisen die Hotelbetreiber nicht auf die Geschichte dieses Ortes. Das Hotel funktioniert für mich in meiner künstlerischen Praxis als Platzhalter, um über die menschlichen Hintergründe von Architektur oder Behausung nachzudenken.
Haben Sie genug von Hilton-Hotels?
Ich hab noch jede Menge Bonuspunkte. Zur Buchvorstellungen im September schlafe ich im Hilton-Amsterdam.