Anika Meier über Influencer in den sozialen Medien

Pass auf, was du postest!

Foto: instagram.com/londonlivingdoll
Foto: instagram.com/londonlivingdoll

Während die einen immer noch, schon oder mal wieder das Fotografieren im Museum verbieten wollen, haben die anderen den fotografierenden Besucher als Influencer entdeckt. Influencer, das ist das Wort, das auf Digitalkonferenzen mindestens 45 Mal pro Minute fällt und in keinem Vortragstitel fehlen darf, wenn es um die sozialen Medien geht. Influencer, das sind die Personen, die in den sozialen Medien über eine nennenswerte Reichweite verfügen und vermeintlich Einfluss auf ihre vielen Follower haben. Viele Follower in Zahlen gesprochen sind 10.000 bis 1. 000 000 und mehr. Kürzlich haben die Pariser Museen eine Influencer-Kampagne gestartet, Hashtag #parallelesparismusees, in deren Rahmen 10 Instagrammer bekannte Kunstwerke aus den Kultureinrichtungen der Stadt neu interpretieren sollten. Die Beiträge wurden auf Instagram veröffentlicht, machten im Netz die Runde und sind noch bis Ende Juli im Bahnhof Saint-Lazare in Paris ausgestellt.

 

Influencer, das sind in London die Personen, die von Museen und Galerien eingeladen werden, um auf Instagram über eine neue Ausstellung zu berichten. In Bildern. Denn anders als Blogger kommen Instagrammer mit viel Bild und wenig Text aus. Und weil Instagrammer Bilder und keine Texte produzieren, gibt es für sie separate Veranstaltungen. Zum Pressetermin werden sie nicht geladen, weil: zu voll. Zur Bloggerveranstaltung werden sie auch nicht geladen, weil: zu viel Text. Gerade lud Damien Hirsts Newport Street Gallery zu einer exklusiven Preview der Jeff Koons Ausstellung ein. Früh morgens, vor Arbeitsbeginn. Manch einer lief ganz allein durch die Räume, wie er selbst, erzählt der Geisteswissenschaftler Markus Hardtmann, @kussmark mit 120.000 Followern im sozialen Fotonetzwerk. Die Anwältin Dolly Brown, auf Instagram als @londonlivingdoll mit 50.000 Followern eine Bekanntheit in der Londoner Kulturszene, hat er nur ganz kurz zu Gesicht bekommen – als sie an ihm vorbei durch die Türe huschte. Für sie ging es nach dem Ausstellungsbesuch direkt an den Schreibtisch in einem großen Bürogebäude in der Nähe der Liverpool Street Station. Ihre Fotos bearbeitet sie in der U-Bahn auf dem Weg zur Arbeit, dann noch schnell eine Kurzkritik in die App tippen und posten. Deshalb all der Aufwand am frühen Morgen oder späten Abend von Museen und Galerien: Bilder sollen noch vor der offiziellen Eröffnung der Ausstellungen, manchmal sogar noch vor Berichterstattung in der Presse, in den sozialen Medien kursieren. 

Das Hashtag zur Veranstaltung in Hirsts Galerieräumen lautete #emptynpsg, darunter finden sich mittlerweile 72 Fotos. Viele der Beiträge zeigen nicht die Ausstellung oder die spiegelnde Kunst von Jeff Koons, sondern das Treppenhaus. Denn spiralförmige Treppen bringen im Gegensatz zu Kunstwerken auf Instagram viele Likes ein. #theworldneedsmorespiralstaircases sagt der Instagrammer. Dolly Brown zeigt sich ein wenig irritiert davon, dass andere Instagrammer vorbei an der der Kunst ins Treppenhaus springen, auf- und abrennen und sich gegenseitig auf den Stufen stehend fotografieren. "In einer so großen, hektischen und immer vollen Stadt wie London ist es ein Privileg, allein in einem leeren Museum zu sein und sich die Kunst in Ruhe ansehen zu können", sagt sie. In den Londoner Museen wird in den beliebten Sammlungen der Stadt viel geschoben und gedrängelt. Wer zu den normalen Öffnungszeiten in der Koons Schau war, musste auf sein #jeffkoonsselfie warten, musste warten, bis die anderen Besucher zufrieden waren mit dem Ergebnis ihrer Spiegelung im Elefanten oder der Titi. Und selbst wenn man irgendwann einmal an der Reihe war, spiegelten sich neben, hinter, über, unter einem zig andere Museumsbesucher, auf deren Position und Haltung im Raum man keinerlei Einfluss hatte. Die man nicht im Bild haben will, die man aber auch nicht aus dem Bild bekommt.

Ein von Tibor Karl (@thisistibor) gepostetes Foto am

 

Deshalb all der Aufwand von Museen für Instagrammer so genannte Empty-Events zu veranstalten. Die Türen der Kultureinrichtungen werden dann vor oder nach den regulären Öffnungszeiten aufgeschlossen, eine Gruppe von Instagrammern wird exklusiv eingeladen, bekommt eine Führung oder darf sich sogar frei einige Zeit durch das Haus oder die Galerie bewegen; manchmal, wenn der ausgestellte Künstler noch lebt, gibt es einen Talk oder eine Künstlerführung. In London und Amerika gibt es diese Art der Veranstaltung schon seit einigen Jahren, in London war jedes Museum irgendwann einmal an der Reihe, dann haben die Galerien das Format übernommen. Nach Deutschland ist das "Empty" auch übergeschwappt, aber mit eher mäßigem Erfolg. So voll wie in London sind die Museen in der Regel sowieso meist nicht, außer natürlich es handelt sich um eine der großen Blockbuster-Schauen in einer der Hauptstädte.

Aber da ist man schon beim nächsten Problem: Anders als in Amerika oder in Metropolen wie Paris und London gibt es in kaum einer Stadt, abgesehen von Berlin, genug Instagrammer mit entsprechender Reichweite, die sich obendrein noch für Kunst interessieren. Denn Kunst und Kultur sind keine Themen, die für die erhofften Likes und Wow-Rufe bei Instagrammern mit zehntausenden von Followern sorgen. Da müssen schon Bilder von den gängigen Motiven her: kitschige, lichtdurchflutete Gässchen, Treppenhäuser, U-Bahnstationen, Karren, beeindruckende Fassaden oder Postkartenmotive.

#emptyNPSG

Ein von London Based | Tobishinobi (@tobishinobi) gepostetes Foto am

 

Instagram ist inzwischen so stark kommerzialisiert, dass Influencer zum einem längst für Beiträge auf ihrem Account bezahlt werden und – sie aus diesem Grund – zum anderen penibel auf Like-Zahlen und Motive achten müssen. Nur wer eine eigene Bildsprache und ein werbefreundliches Umfeld im sozialen Fotonetzwerk geschaffen hat, ist interessant für Auto- und Kamerahersteller, für Modelabels und für die Getränke- und Reiseindustrie. So kam es auch, dass gerade zwar einige Instagrammer anlässlich der Architekturbiennale nach Venedig eingeladen waren, dann aber kaum ein Bild, in einigen Fällen sogar kein Bild von der Biennale selbst gepostet wurde. Immerhin wurden fleißig die Hashtags #architecturebiennaleinstameet und #biennalearchitectura2016 unter die Postkarten aus Venedig gesetzt, so dass die Follower zumindest erahnen konnten: Ah, da war doch was!

Und während sich die Instagrammer immer mehr professionalisieren, ziehen auch die Museen international langsam hinterher, machen Erfahrungen und sehen, dass man Instagrammer nicht einmal unbedingt zu sich ins Haus holen muss, um Bilder zu bekommen, die sich rasant viral verbreiten. Die Pariser Museen haben es vorgemacht, sie haben den Instagrammern eine konkrete Aufgabe gestellt, um eine Kreativleistung gebeten, mit der sie nun für ihre Einrichtungen werben können.