Dubai Art Week 2016

Aus kontrolliertem Anbau

Auf der Dubai Art Week zeigt die Kunstszene des Emirates, wo sie gerade steht. Ein Ortsbesuch

Vom Burj Khalifa, dem höchsten Turm der Welt, hat man nach Überwindung des Schwindels eine atemberaubende Aussicht auf glänzende Wolkenkratzer, künstliche Seen, die ausgedehnten Palastanlagen der Königsfamilie, zwölfspurige Autobahnen und unzählige, eingestaubte Baustellen. Dubai möchte sich ständig selbst übertreffen, das "Megaprojekt" ist noch längst nicht vollendet. Alleine in den nächsten vier Jahren sollen 29.000 neue Hotelzimmer gebaut werden.

Dieser Entwicklungsrausch ist auch in der Kunstszene Dubais zu spüren. Vor zehn Jahren, bei der ersten Ausgabe der Kunstmesse Art Dubai, gab es in dem Emirat zwei bis drei große Galerien. Nun gibt es alleine im Alserkal-Avenue-Galerienviertel 20. Und jetzt, Mitte März, soll die Dubai Art Week 2016 natürlich wieder größer, internationaler und populärer sein als je zuvor.

Gallery Night in der Alserkal Avenue

Mit minimalistischen "community spaces", Blumenkästen aus Europaletten und vereinzelten Autowerkstätten könnte die Alserkal Avenue auch im New Yorker Meat Packing District oder der in Berliner Hipster-Szene zu Hause sein. Aber es ist warm, die Luft riecht nach Wüste und es gibt Gegenwartskunst aus dem Nahen Osten zu sehen.

Das Viertel wächst seit seiner Eröffnung 2007 rapide. Alleine in dieser Art Week öffnen ein Abzweig der Custot Gallery, sowie die Jean-Paul Najar Foundation erstmalig ihre Türen. Laut einer Vertreterin der Avenue würde das Interesse von Galeristen aus Europa und besonders New York steigen: "Im Westen ist die Szene zu etabliert. Neuankömmlinge können nur schwer Fuß fassen. Aber in der Alserkal Avenue gibt es viele, die zum ersten Mal in der Galerieszene arbeiten." In Erwartung dieses Ansturms wird der Komplex selbstverständlich erweitert. Noch 2016 sollen fünf Cafés, sowie ein neuer Event- und Ausstellungkomplex, entworfen von Rem Koolhaas' Architektenbüro OMA, eröffnet werden. Für 2017 ist die Fertigstellung von mehreren Künstlerstudios für Stipendienprogramme geplant.

 

Die Werke in vielen der Galerien spiegeln diese Energie wieder. In The Third Line, mit zehn Jahren eine von Dubais ältesten Galerien, fallen besonders die Ausstellungen "La Salle de Gym des Femmes Arabes" von Hassan Hajjaj und "When Heartstrings Collapse" der syrischen Künstlerin Sara Naim auf. Eine Gasse weiter begegnet man in der ebenfalls syrischen Ayyam Gallery den großformatigen Werke der Serie "Machine Hearts" des britisch-irakischen Künstlers Athier Masouwi.

 

Sikka Art Fair

Die Sikka Art Fair ist in den Gassen des Al Fahidi Historical Neighborhood zu finden, weitab der glänzenden Wolkenkratzer von Downtown Dubai. In der iranischen Arbeitersiedlung aus dem frühen 20. Jahrhundert sind die Straßen erfrischenderweise selten breit genug für Autos. Die Sikka Art Fair füllt zum sechsten Mal die schattigen Innenhöfe und niedrigen Stuben des Viertels, diesmal kuratiert vom emiratischen Künstler Mattar bin Lahej. Die Sikka Art Fair eröffnet während der Dubai Art Week. Darauf folgen elf Tage lang Konzerte, Performance-Kunst, Workshops, Ausstellungen und Filme von jungen, aufkommenden Künstlern. 2016 ist ein entscheidendes Jahr für die Sikka: Erstmalig werden nicht nur Nachwuchstalente aus den Emiraten ausgestellt. Hinzu kommen Werke aus Saudi Arabien, Kuwait, Katar, Bahrain und Oman. So ist auch die Sikka dieses Jahr größer als zuvor.

Gleichzeitig besinnt sich die Sikka Art Fair mit ihrem Programm auch auf schon vorhandene Situationen in Dubai. Die "Satwa 3000 Cafeteria" vom Künstler-Kollektiv Satwa 3000 ist eine Mischung aus Installation und Café. Hier wird einem das Dubai der internationalen Arbeiterklasse nahe gebracht. Sie erklären: "Es ist einfach nach Dubai zu kommen, die Einkaufszentren zu besuchen, und dann zu denken, du warst im echten Dubai." Satwa 3000 präsentiert mit urigem Essen, Kunst, Musik und Geschichten die Kehrseite des Luxus.

 

Art Dubai

Auch dieses Event der Dubai Art Season ist 2016 internationaler denn je. In dem obszön-luxuriösen Medinat Jumeirah Hotel finden sich dieses Jahr fast 100 Galerien aus 90 verschiedenen Ländern zusammen. Das Angebot ist divers wie noch nie zuvor. Es sind nicht nur mehr internationale Galerien dabei, 45 Prozent der Künstler sind weiblich und die Werkpreise schwanken zwischen 5.000 und 300.000 Dollar. Unter den funkelnden Kronleuchtern des riesigen Hotelkomplexes tummelt sich ein Publikum so divers wie das Kunstangebot: Neben den traditionellen Abayas und Dishdashas der Emiratis, klassisch in schwarz und weiß gehalten, wirken nach westlichem Geschmack Gekleidete plötzlich fremd und ausgefallen.

Aufgrund der internationalen Aussteller und des internationalen Publikums fielen hier Akte oder sexuelle Inhalte weniger auf, erklärt eine Mitarbeiterin der Dubai Cultural Authority. Diese Themen sind strenggenommen absolut tabu, da die gesamte Dubai Art Week unter Schirmherrschaft der streng muslimischen Emirats-Regierung steht. Tatsächlich lässt sich auf der Art Dubai eine entblößte Frauentaille entdecken: Salma Hayek windet sich als Bauchtänzerin lasziv und verführerisch durch das Werk "I Saved My Belly Dancer" des ägyptischen Künstlers Youssef Nabil.

Auf dieser Messe bekommt man wieder ein Gefühl für die Superlativen, mit denen sich Dubai auszeichnet: Die Art Dubai ist weltweit die größte Messe für Kunst aus Nordafrika, Südasien und des Nahen Osten. 2016 verzeichnet die Messe mit 27 516 Besuchern 2 500 mehr als im Vorjahr.

Die Galerie Brigitte Schenk aus Köln stellt schon seit zehn Jahren auf der Abu Dhabi Art und der Sharjah Biennale aus, ist bei Art Dubai jedoch zum ersten Mal. Es wäre ein natürlicher Fortschritt gewesen. Die Messe wäre nach Erfahrung absolut mit der Abu Dhabi Art und auch der Art Basel vergleichbar.

Im Gegensatz zu der Galerie Brigitte Schenk, ist die Berliner Galerie Carlier Gebauer zur Art Dubai zum ersten Mal in der Region. Die Galerie besteht in Berlin seit 1991 und ist nun auf der Suche nach neuem Publikum. Dem Galerie-Team gefällt Dubais junge, zeitgenössische Kunstszene. Sie möchten den Wirkungshorizont ihrer Künstler erweitern. Bei der Vorbereitung auf die Art Dubai hätte es keinerlei Berührungsängste gegeben, es würde eine sehr "offene Stimmung" herrschen. Die Verkaufsaussichten sind gut – vor allem Privatsammler sind auf der Art Dubai sehr aktiv.

Das Angebot der Art Dubai ist zweifellos divers. In der Nische der Galerie Brigitte Schenk gab es, unter anderem, die politisch aufgeladenen Werke von Halim Al Karim und Tarek al Ghoussein zu sehen. Nadim Karam machte mit den großformatigen Skulpturen der Installation "Shhhhhhh…shout!" auf politische Umschwünge im Nahen Osten aufmerksam. Für performative Abwechslung sorgt zum Beispiel das "Wedding Project" der Londoner Delfina Foundation.

Ein natürliches Wachstum?

Die Art Week Dubai ist ein wichtiges wirtschaftliches Ereignis für das Emirat. Anfang März berichtete die unabhängige Agentur Repucom, Art Week 2015 hätte der Stadt 35 Millionen Dollar eingebracht. Einheimische Galerien machten 60 Prozent ihrer Jahresverkäufe in derselben Woche. Eine globale, anziehende und abwechslungsreiche Kulturszene aufzubauen, scheint gänzlich im Interesse des Emirats. Ganz nach Plan und im High-Speed-Tempo erfindet sich Dubai neu: als seriöser Standort für internationalen Kunst- und Kulturaustausch. Das Kapital bieten private Entwickler und die (eigentlich auch private) Regierung. "Natürlich" ist in dieser Stadt eher selten etwas gewachsen.