Yilmaz Dziewior über soziale Medien

#Museum

Angela Merkel hat 150.000 Abonnenten auf Instagram. Klaus Biesenbach fast ein Drittel mehr, nämlich 193.000. Immerhin handelt es sich jeweils um die Einwohneranzahl einer mittleren deutschen Großstadt. Dass Merkel weniger als Biesenbach hat, liegt vielleicht auch an der Beschreibungen ihres Instagram Profils: "Einblicke in die politische Arbeit von Bundeskanzlerin Angela Merkel durch das Objektiv der offiziellen Fotografen der Bundesregierung." Sexy klingt irgendwie anders. Vielleicht so: "Director, MoMA PS1 & Chief Curator at Large, The Museum of Modern Art, New York."

Um aber die Perspektiven ein wenig gerade zu rücken, hier ein paar andere Abonnentenzahlen auf Instagram. Ein aus meiner Sicht ziemlich (also nicht super) attraktiver Typ mit Namen Eliad Cohen, 27 Jahre alt und israelische Schwulenikone, hat mehr als drei Mal so viele Abonnenten wie Biesenbach. Noch drastischer fällt der Vergleich zwischen Madonna und Beyonce aus. Letztere hat zehn (!) Mal so viele wie die Großmutter des Pops, nämlich 64 Millionen zu 6,5 Millionen. Well Madonna, you better strike a pose!

The forbidden apple Pic by @jpsantamaria

Ein von Eliad Cohen (@eliad_cohen) gepostetes Foto am

 

Nun aber zu dem wirklich interessanten Vergleich: ICH habe 667 Abonnenten und der Direktor des MoMAs, Glenn Lowry, gerade einmal 116. Dass er sein Account nur für eine kurze Zeit nutzte um Urlaubsfotos zu posten, muss jetzt nicht an die große Glocke gehängt werden, ebenso wenig wie die Tatsache, dass ich erst seit elf Wochen auf Instagram bin, dafür jedoch schon fast noch abhängiger als von meiner anderen liebsten Übersprungshandlung: Facebook.

Hätte ich einen Shrink, würde er oder sie mir bestimmt sagen, Instagram sei nur eine Phase, aber im Moment vergeht fast kein Arbeitstag, an dem ich nicht etwas poste. Dabei käme ich nicht auf die Idee Fotos von meinem Essen oder Bilder vom Strand im World Wide Web kursieren zu lassen. Wie dieser Blog hier funktionieren auch die sogenannten Sozialen Medien für mich in erster Linie als Informationsträger und -verbreiter der Kunst.

Together

Ein von @glenndlowry gepostetes Foto am

 

Dabei schneidet Instagram zumindest was die Schnelligkeit des Zuwachs und die Anzahl der "Follower" anbelangt deutlich besser ab als Facebook. Im Gegensatz zu Facebook, das, wie der Name schon sagt, die meisten Likes für Gesichter und die passenden Stories dazu generiert, funktionieren bei mir auf Instagram das Posten von Kunstwerken am besten. Zur Zeit ist Sigmar Polkes "Fensterfront" von 1994 mit 73 Likes der Spitzenreiter, dicht gefolgt von Nairy Baghramians Ausstellungsansicht im Museo Tamayou, Mexico City mit 72 Likes.

#sigmarpolke#museumludwig

Ein von Yilmaz Dziewior (@yilmaz.dziewior) gepostetes Foto am

 

Was mich jedoch gleichermaßen beunruhigt wie erfreut, ist die Tatsache, dass es bei Instagram in meiner sich vermeintlich zufällig generierenden Rubrik "entdeckte Beiträge" nur so von Selfies bärtiger Bodybilder wimmelt und dass, obwohl ich im Gegensatz zu allen möglichen Kunstposts in diesem Genre noch kein einziges Like geklickt habe.

Auch wenn Facebook im Vergleich zu Instagram das etwas behäbigere Medium ist, bevorzuge ich es bei allen offensichtlichen ideologischen Vorbehalten. Denn hier habe ich durch meine "strenge Auswahl" (ich akzeptiere nur "Freunde" die ich kenne) eine wesentlich größere Trefferquote an Informationen, die mich auch wirklich inhaltlich interessieren.

Dafür eignet sich Instagram besser als Facebook um es "künstlerisch" zu nutzen beziehungsweise solchen Aktivitäten zu folgen. Das reicht von kuratorischen Marotten, wie die von Hans Ulrich Obrist, der ausschließlich handgeschriebene Notizen von KünstlerInnen, MusikerInnen, SchriftstellerInnen und WissenschaftlerInnen postet, über Klaus Biesenbach, der jeden Morgen mit dem Ausblick aus seinem Fenster die jeweilige Wetterstimmung in New York festhält bis hin zu Ai Weiwei, der seit ein paar Wochen das Leben von Flüchtlingen in Idomeni dokumentiert.

Zhai Liang flash #hackspace #zhailiang #simondenny #kaf #serpentinegalleries #cobosocial

Ein von Hans Ulrich Obrist (@hansulrichobrist) gepostetes Foto am

 

Der intrinsischen Logik des Mediums am besten entsprechend fand ich bisher die Serie "New Portraits" von Richard Prince aus dem letzten Jahr, für die er auf Instagram gefundene Bilder einfach abfotografierte, auf Leinwände ausdruckte und als seine Werke verkaufte. Einige der ursprünglichen UrheberInnen beklagten in erster Linie nicht, dass ihre Bilder gestohlen, – oder im Jargon der Kunstgeschichte von Prince angeeignet wurden – sondern sie störte vor allem die hohe Summe von 90.000 Dollar, die der Künstler pro Werk verlangte. Selena Mooney, die Gründerin des kommerziellen Erotikportals Suicide Girls, bei dessen Abbildungen sich Prince ebenfalls bedient hatte, reagierte prompt und ziemlich cool, indem sie die von Prince gewählten Girlbilder in derselben Technik und Größe wie er ausdruckte und zu einem Tausendstel seines Preises, nämlich für 90 Dollar, auf ihrer Website verkaufte. Da lässt sich doch nur feststellen: Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!