Instagram, das ist die neue App für die Menschen, die sich in ihrem Leben hübsch eingerichtet haben. Nach inzwischen fünf Jahren und mit 400 Millionen Nutzern ist das soziale Fotonetzwerk zwar nicht mehr neu, aber das macht nichts, denn in Deutschland ist irgendwie alles Neuland, was mit digitaler Kultur zu tun hat. Und deshalb muss die App von den Wächtern des Tempels der Kunst fleißig verteufelt werden. Das Original, das sich in Museen und auf Auktionen teuer verkaufen lässt, ist mal wieder in Gefahr. Fotografien haben Flachware zu sein, die sich an die Wand hängen lässt.
Darum rasch auf die Barrikaden und fleißig schimpfen gegen die Filter-Hölle und das Narzissten-Mekka. Und spotten über die Fotografen, die Instagram nutzen, weil es Spaß macht. Stephen Shore (hier im Interview über die Fotosharing-App), einer der Mitbegründer der New Color Photography wird für seinen Instagram-Account häufiger belächelt. Zuletzt mehr oder weniger ernsthaft von Jo Berlien im Katalog zur Ausstellung "Ego Update" im NRW-Forum. Dort fragt er sich, was für ihre Kunst hoch dotierte Fotografen wie Stephen Shore dazu bringe, ihre Handy-Schnappschüsse auf Instagram online zu stellen. Ich ergänze: Und das auch noch kostenlos? Denn Kunst, das ist diese bierernste Angelegenheit, die in Museen und Galerien stattzufinden hat. Aber ich wiederhole mich.
Wenn von Instagram und Künstlern die Rede ist, wird immer Ai Weiwei als Paradebeispiel angeführt. Nur neigt der chinesische Künstler zu einer gewissen Hyperaktivität –gelegentlich möchte man "too much information" kommentieren – und er hat sich zum Selfie-Man schlechthin entwickelt. Das brachte auch ihm Spott ein. "China verurteilt Ai Weiwei zu 10.000 Selfies", titelte kürzlich eine Tageszeitung.
Künstler und Fotografen sind eigentlich kleine Lichter auf Instagram. Für sie gibt es meist nicht einmal ein blaues Häkchen, das den offiziellen Charakter ihres Accounts bestätigen würde. Hell leuchten Sternchen wie Kim Kardashian, die kleine Prinzessin der Generation Duckface, die dann auch noch die Nachfolge von Andy Warhol angetreten haben soll, wie ein Kunstkritiker behauptete. Sie macht doch auch, wie einst Warhol, irgendwas mit fürchterlich vielen Fotos von sich selbst und Glamour, Kitsch und Selbstinszenierung. Selfies lässt seit ein paar Tagen übrigens auch Prince auf Instagram regnen, vielleicht machen die beiden bald ein Buch mit dem Titel "Selfie Rain" zusammen. Okay, es sind Porträts von Prince, aber der Gedanke war einfach zu schön.
Aber wer ist überhaupt außer den üblichen Verdächtigen, die immer genannt werden, wenn es um Künstler und Fotografen auf Instagram geht, sonst noch aktiv? Wem also folgen außer der Krawallbürste Richard Prince, Terry Richardson mit den vielen Daumen und Ryan McGinley, der auf Instagram etwas in Richtung das Leben des Ryan inszeniert – knutschen mit dem Boyfriend, singen mit der Mama und im Bett liegen mit dem Hund?
Hier 10 Tipps:
Der Magnum-Fotograf Alec Soth nimmt Instagram mit Humor. Statt Selfies postet er Unselfies. Ein Selfie ist erst ein Selfie, wenn ein Gesicht erkennbar ist, das in die Kamera eines Smartphones blickt, so seine These. Darum verpixelt oder verdeckt er sein Gesicht mit Wasser, Schnee oder Dampf, mit Masken, Ballons oder großen Pilzen.
Die kanadische Künstlerin Petra Collins hält nicht viel vom Bild der Frau, das die Werbelandschaft dominiert. Sie zeigt lieber die ungeschminkte Wahrheit und feiert deshalb gern morgens nach dem Aufwachen mit einem Foto Pimple Partys.
Der britsch-indische Künstler sucht bevorzugt dreckige Ecken und das überall auf der Welt. Und wenn er wieder Ärger wegen seines Kunstwerks im Schlosspark von Versailles hat, das er als "Vagina der Königin" bezeichnet, nutzt er Instagram, um sich der Welt mitzuteilen. Seine Follower nennen ihn begeistert: "The Daddy of Dirty Corners".
Der amerikanische Straßenfotograf Joel Meyerowitz ist gerade erst auf Instagram angekommen. Vor drei Monaten. In seinem Profil kündigt er Fotos aus dem Archiv sowie neue Fotos an. Sicherheitshalber folgen.
Noch vor ein paar Wochen hat sich die Fotografin Lina Scheynius von Instagram verabschiedet. Leicht pathetisch. Ihr sei alles zu viel geworden, hat sie ihre Follower wissen lassen. Zu viele Leute, zu viele Likes und immer wieder die Frage: Wie bekomme ich mehr Follower, mehr Likes? Mit der selbstauferlegten Abstinenz war sie nicht sehr erfolgreich. Schon nach vier Wochen war sie wieder da. Mit einem Foto von ihrer Schwester und einer dicken Katze.
Der New Yorker Fotograf Phil Toledano macht auf Instagram gern Quatsch und albert herum. Das auch im Gespräch mit seinen Followern in der Kommentarfunktion unter seinen Posts. Wie in seinem Werk steht auch auf Instagram – zumindest gelegentlich – seine Familie im Mittelpunkt. Eine Serie zeigt seine Tochter Loulou "ipadding", wie er es nennt, wenn sie mal wieder mit dem iPad unter einer Decke liegt oder zwischen Couchteile gerutscht ist.
David Shrigley macht auf Instagram, was er immer macht: Lustig sein. Nur zeichnet er dafür seine Motive nicht, er fotografiert sie unterwegs. Die Bilder lässt er aber auch dort nicht für sich stehen. Wofür gibt es die Kommentarfunktion?
So aktiv wie die Fotoagentur Magnum auf Instagram ist, so sind es auch ihre Fotografen. Bruce Gilden, der dafür bekannt ist, dass er unerbittlich nah an die Porträtierten heran geht und gern mal ohne Vorwarnung mitten ins Gesicht blitzt, postet zwar fast nur bekannte Werke, aber das macht nichts. Die Lifestyle-Oase Instagram kann eine Ruhestörung gebrauchen.
Der australische Fotograf Jackson Eaton, um auch einmal einen etwas unbekannteren Namen einzustreuen, macht Foodies von der Stange. Wir alle wissen, dieses Instagram ist nur für Selfies, Sonnenuntergänge, Füße, Haustiere und Essen gut. Und wir alle fuchteln inzwischen mit Selfie-Sticks herum. Jackson Eaton kombiniert diese Klischees und macht daraus eine Serie. In die Halterung einer Narzisstenstange spannt er wahlweise Brownies, Steak, Burritos, Popcorn, Karotten, eine Mango, Trauben, ein Sandwich, Spaghetti, eine Samali, kurz, alles, was man essen kann und macht davon ein Foto für seinen Account.
Er ist Schriftsteller, Kunsthistoriker, Fotograf und für die "New York Time" schreibt er eine Kolumne mit dem Titel "On Photography". Instagram benutzt er wie einen Tumblr. Er postet eigene Fotos, kommentiert das Tagesgeschehen und seinen Alltag, teilt Fundstücke aus dem Netz, seine eigenen Texte und regramt Fotos anderer Nutzer.