Anika Meier über Ryan McGinleys Instagram-Account

Dick the Dog und die singende Mama

Foto: instagram.com/ryanmcginleystudios
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Ryan McGinley mit seiner Mutter

Alles ist hell erleuchtet auf den Fotos, für die Ryan McGinley gefeiert wird. Nackte Jugendliche kauern in Höhlen, springen über Felder, klettern in Bäumen herum und fliegen durch die Luft. Er inszeniert den Traum von einem Leben voller Leichtigkeit und Sorglosigkeit, immerzu in Bewegung, umgeben von Vitalität und Schönheit. Auf Instagram ist er inzwischen wieder, wo er zu Beginn seiner Karriere als Fotograf war: ganz nah bei seinen Freunden und seiner Familie. Nichts ist inszeniert, alles ist lustig. Okay, vielleicht auch beides nur fast immer.

Safety First @botticelliangels

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Wenn sein Hund Dick nicht gerade die Nägel lackiert bekommt oder er mit seinem Lover @botticelliangels mit Fahrradhelmen auf dem Kopf vor der Kamera knutscht, singt sich seine Mutter selbst ein Ständchen zum Geburtstag. Beide, sein Hund und seine Mutter, haben ein eigenes Hashtag. #dickthedog und #maryjanesings. Gelegentlich treffen sie auch aufeinander und gehen, wenn es doch nicht passt, schnell wieder auseinander.

Reunited #maryjanesings #dickthedog

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Ryan McGinley ist als achtes Kind zur Welt gekommen, sieben Kinder in sieben Jahren, dann kam er, überraschend, elf Jahre später. Sein Vater hat alle seine Geschwister gefilmt und fotografiert, so obsessiv wie später Ryan McGinley selbst sein Leben dokumentieren wird. Als aber der Nachzügler kam, war offenbar, wie man so sagt, die Luft raus. Seine Mutter ist sehr religiös, sie geht jeden Tag zur Kirche, sie mag "Reader’s Digest" und sie liebt es, wie man auf Instagram sieht, zu singen und zu tanzen. Mit Lockenwicklern auf dem Kopf, mit Zahnbürste im Mund, im Auto, beim Schwimmen im Meer, mit Taschenlampe und Regenschirm in den Händen, aber auch mit Sonnenschirm und Winterhandschuhen an den Händen. Mit Nudelholz und Hammer bewaffnet, spielt sie eine Szene aus dem "Zauberer von Oz" nach.

#maryjanesings

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Sie schmettert Klassiker von Dean Martin und Frank Sinatra, sie springt und klatscht, wenn sie Kinderlieder intoniert, und sie wiegt sich im Takt zu Broadway Musicals.

Love You Mom #maryjanesings

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Als Ryan McGinley in den späten 90ern anfing zu fotografieren, hat er an einem Wochenende 30 bis 40 Rollen Film verknipst. Seine Kamera begleitete ihn überall hin. Auf Partys, auf Häuserdächer, auf Toiletten in Bars, in U-Bahntunnel und beim Sex. Er dokumentierte obsessiv sein Lebensumfeld und die Jugendkultur in New York. Anfang der 2000er verbreitete sich die Digitalfotografie, gleichzeitig wurden Blogs groß und Ryan McGinley musste sich etwas Neues überlegen, da plötzlich jeder alles fotografierte. Also packte er seine Freunde in ein Auto und fuhr mit ihnen raus in die Natur.

Einige Jahre später, Instagram feierte gerade fünften Geburtstag, fotografiert und teilt jeder mehr denn je aus seinem Leben. Die Plattform hat inzwischen 400 Millionen Nutzer. Auf Instagram fragt niemand, wie einst Blumfeld melancholisch und desillusioniert, kommst du mit in den Alltag? Wer die App öffnet, ist meist schon mittendrin im Alltag eines anderen. Und Ryan McGinley stört sich dort auch nicht daran, dass er einer von vielen ist. Ganz im Gegenteil, er spielt mit der Leichtigkeit und Unverbindlichkeit des Mediums, das ihn ein Kontrastprogramm zu seinen aufwändig produzierten Studioporträtserien und Roadtrips teilen lässt. Freilich, man kann Instagram als "Spaß-und-Gratis-Rampe" abtun und als weiteren Zeitfresser ignorieren. Dann sieht man aber nicht, wie Instagram für Fotografen wie Ryan McGinley zur Spielwiese und zum Experimentierfeld wird.

#dickthedog

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