Der Ausblick ist immer wieder toll. Bei guter Sicht sind von Venedig aus die Alpen zu sehen, diesmal sogar der Himalaya. Natürlich nur auf der Festivalleinwand, es wurde ja "Everest" als Eröffnungsfilm der 72. Mostra gegeben. Ein 3D-Bergdrama, aber nicht unbedingt ein Gipfel der Filmkunst. Hoffentlich kein Menetekel für die diesjährige Competition-Sparte. Über die Hälfte von 20 Filmen, die um den Goldenen Löwen kämpfen, ist schon gelaufen. Bisher dümpelt der Wettbewerb nur so dahin.
Drei Filme dieser Sektion fand ich wirklich gut: "Beasts of No Nation", "L’attesa" und "El Clan" – um eine Mafiafamilie zur Zeit der Militärdiktatur in Argentinien: Oben in der Badewanne quält der Familienvater einen Gekidnappten, unten erledigen die Kinder ihre Hausaufgaben. Wo gibt’s den sowas? Unfassbar, aber Pablo Traperos dicht an der Groteske vorbeischrammender Thriller beruht auf einer wahren Familienstory. In dieser Saison, darauf hat auch Alberto Barbera hingewiesen, finden sich quer durch die Sektionen Filme, die auf Fakten beruhen.
Problematisch wird es, wenn die politische Realität wie ein Sahnehäubchen auf einem Film sitzt. Was soll die Flüchtlingskrise in einer Eifersuchtstragikomödie auf einer italienischen Mittelmeerinsel? Trotz Ralph Fiennes, Tilda Swinton und Matthias Schoenaerts, trotz starker Szenen (Fiennes tanzt herrlich bescheuert zu "Emotional Rescue" von den Rolling Stones) ist "A Bigger Splash" schon wegen des unausgegorenen Drehbuchs fehl am Platz im Wettbewerb. Der Film basiert auf "Der Swimmingpool" mit Romy Schneider, damals auch kein filmischer Höhepunkt. Ärgerlich jetzt vor allem: Statt ihre Schicksale in den Vordergrund zu holen, dienen Flüchtlinge als Staffage.
In meinem Boot, das mich vom Lido zur Hauptinsel zurückbrachte, schwappte gestern – a quite big splash – ein Schwall Wasser auf den Schoß meines armen Sitznachbarn. Seine Hose war platschnass. Ich wünschte, es wäre Tilda Swintons Regisseur gewesen.