Ist das eigentlich noch Kunst? Auch über einhundert Jahre nachdem die Avantgarde mit der "Aufhebung der Kunst in Lebenspraxis" begann, beschäftigt kaum eine Frage das Kunst-Publikum mehr. Und manchmal wird sie auch strafrechtlich interessant.
Joe Gibbons, amerikanischer Filmemacher, Performancekünstler und einstiger Dozent am renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT), hat diese Frage nun neu aufgebracht. Er überfiel in der Silvesternacht 2014 in New York eine Bank und filmte sich selbst dabei mit einer Minikamera. Auch Überwachungskameras nahmen ihn auf, als er einem Angestellten der Capital One Bank in Chinatown einen Zettel mit dem Satz "Das ist ein Überfall" in die Hand drückte. Mit 1002 Dollar Beute konnte Gibbons die Bank verlassen. Die New Yorker Polizei aber spürte den 61-Jährigen nach einem anonymen Hinweis in einem Hotelzimmer in der Nähe der Bank auf und fand auch seine Kamera mit dem belastenden Film.
Seinen späteren Einwand, dass der Überfall nicht nur durch einen finanziellen Engpass motiviert gewesen sei, sondern als Kunst-Performance gedacht war, befand das Gericht indes nicht als relevant und verurteilte Gibbons, der sich im Hauptanklagepunkt schuldig befand, vergangene Woche zu einer einjährigen Haftstrafe.
Jonathan Jones, Kunstkritiker des britischen "Guardians", schreibt, dass Gibbons mit dieser Aktion "eine Art Meisterwerk" geschaffen hat und mit "der Grenze zwischen Realität und Absurdität" genauso spielt wie schon große Performance-Künstler wie Chris Burden oder Vito Acconci zuvor. Und Gibbons, der verdächtigt wird, im November auf Rhode Island eine weitere Bank überfallen zu haben, hat weitere Unterstützer: Light Industry, ein Vorführungsort für Film und elektronische Kunst in Brooklyn, in dessen Board unter anderem der bekannte Künstler Paul Chan sitzt, veranstaltete ein Benefizabend für Gibbons, und auf einer Fundraising-Seite wurde Geld für den Künstler gesammelt.
Joe Gibbons Profil auf der MIT-Website spricht davon, dass er "die Grenzen zwischen Fakt und Fiktionen erforscht". Er stellte seine Filme bereits im Museum of Modern Art, dem Centre Pompidou und auf mehreren Whitney-Biennalen aus. Sein bekanntester Film ist "Confessions of a Sociopath", in dem sein in fast jedem Film auftretender Alter Ego "Joe Gibbons" in die Kamera schaut und spricht: "Ich bin Joe Gibbons. Ich brauche keinen Job. Ich nehme mir einfach das, was ich brauche". Danach fügt er im lebhaften Tonfall hinzu: "Ich mache nur Spaß."
Spaß hat das amerikanische Gericht aber nicht verstanden. Ob "The Robbery" bald in einem Museum zu sehen sein wird?