Eine unangenehm schwüle Hitze herrscht in den Lichthöfen des Karlsruher Zentrum für Kunst und Medientechnologie (ZKM) und will so gar nicht zur kühlen Hallenarchitektur des Gebäudes passen, das einmal für die Rüstungsindustrie gebaut worden war. Noch etwas ist merkwürdig hier: die Ausstellungsfläche – gewöhnlich schön vollgestopft mit allerlei Lautem und Blinkendem – ist komplett leer. Erst wenn man den Blick nach oben richtet, entdeckt man das Kunstwerk, das hier gezeigt wird, und gleichzeitig den Grund für das feucht-warme Klima: eine Wolke. Keine gemalte und auch keine aus Watte, sondern eine aus Luft und Wasser, festgehalten zwischen unterschiedlich temperierten Luftschichten – eine echte Wolke eben, die der japanische Architekt Tetsuo Kondo gemeinsam mit den deutschen Klimaingenieuren Transsolar in die Räume des Museums gezaubert hat.
Über eine Rampe kann man die neblige Wolkenatmosphäre im mittleren Bereich der Halle betreten. Ich stelle mir vor, ich würde über eine unsichere Hängebrücke zwischen zwei Bergschluchten balancieren und bin heilfroh, als ich sicher auf der Wolken-Galerie ankomme – nur ist es hier fast unerträglich feucht und heiß. Durch die Luftzirkulation, die die Besucher erzeugen, geht die Wolke langsam kaputt und kriecht als gespenstischer Nebel in die leeren Räume. Ist das eine apokalyptische Vision unserer Welt nach der Klimakatastrophe? Oder nur ein Abbild der bereits bestehenden, unheimlichen Realität in ostasiatischen Megastädten?
Die Ausstellungsmacher sehen ihre Installation als Mahnung. Denn die Wolkenschicht, die als Teil der Atmosphäre unseren Planeten umgibt, bietet wichtigen Schutz – wird aber durch den Menschen und seine Produktion schädlicher Gase kontinuierlich zerstört. So ist die ganze, insgesamt 300 Tage andauernde und sich stetig verändernde Ausstellung "Globale" als ermahnende Aufklärungsaktion angelegt, die sich einerseits mit unserer immer mehr technisierten Welt, andererseits mit den "Verfehlungen des Menschen im 20. Jahrhundert" – so der Pressetext – befasst.
Auch wenn solch didaktisch anmutende Konzepte in der Kunst oft den spröden Beigeschmack von Schulunterricht haben: Beim Thema Umweltschutz und Menschenrechten darf man schon mal den Zeigefinger heben. ZKM-Chef Peter Weibel und sein Team kommen aber – zumindest in ihren Installationen – völlig ohne Bilder expliziten Grauens aus. Für solche Diskurse ist das Rahmenprogramm der "Globale" zuständig – so fand zum Beispiel vor der Eröffnung ein dreitägiger, von Amnesty International mitgestalteter Prolog mit Vorträgen und Filmvorführungen statt, weitere Aktionen folgen.
Es soll hier aber nicht nur um jene "Verfehlungen" der Menschheit gehen, sondern auch um die positiven Möglichkeiten der Globalisierung, welche die Kuratoren als Ergebnis einer total vernetzten Welt sehen; es geht hier letztlich – und das passt zum ZKM – um das Digitale.
Auf der anderen Seite des Museums dann auch das krasse Gegenprogramm zum hellen, warmen Wolkenraum: Ryoji Ikedas Installation "micro/ macro", die einen in die dunkle Welt des Inneren eines Computers entführt – jedenfalls fühle ich mich hier so. In "The planck universe (micro)", einem Teil der Installation, werden Bilder auf eine betretbare Fläche projiziert. Der Trip geht los – durch unendliche Weiten unbekannter Welten, den Mikrokosmos eines binären Codes, vielleicht, was genau hier passiert weiß ich nicht. Zahlenreihen prasseln auf mich ein, dann Farben, Klänge, sich miteinander vernetzende Punkte, immer schneller, lauter, totale Immersion, Farben, Klänge, noch schneller, nicht blinzeln, lauter – dunkle Stille, ich falle in ein schwarzes Loch und dann – ein schreiendes Kind rennt mich fast über den Haufen, weckt mich auf aus diesem schauerlich-schönen Traum.
Der dringende Wunsch, allein hier zu sein, in der stroboskopisch flimmernden Dunkelheit, erinnert mich an die Wolken-Installation, an das ganze Konzept dieser Ausstellung – man wird den Eindruck nicht los, dass der Mensch nur stört, alles kaputt macht, seine Umwelt und meine Illusion.
Als ich die Ausstellung verlasse, zurückkehre zur Realität schädlicher Sonnenstrahlen, der Kopf schmerzend und die Augen noch halb blind, bin ich glücklich und nachdenklich über das gerade Erlebte. Denn obwohl diese Ausstellung wachrütteln will, ist sie in Ermangelung an Realem doch vor allem ein wunderbares, ästhetisch ansprechendes, schwindeleregendes Erlebnis: Wir scheitern immer schöner.