Ein schlauer Philosoph warf den Kulturkritikern einmal vor, sie hielten das Publikum für dumm. Ständig warnen sie vor dieser oder jener Wirkung von Bildern, glauben, sie würden die armen Menschen gleich überfluten, als wären sie den bösen Medien ausgeliefert wie ein kleines Bötchen dem stürmischen Meer.
Dass das Unfug ist, beweisen Protestaktionen. Vor wenigen Wochen etwa wurde die Dame im gelben Bikini oben aus den U-Bahnhöfen und von den Litfaßsäulen entfernt, die sie in England schmückte. Mit der Frage "Sind Sie strandkörperbereit?" hatte ein Unternehmen für ein Diätmittel geworben, die Engländer antworteten mit Schriftzügen und Selfies, auf denen sie neben dem blonden Blickfang posierten und sagten: Wir sind immer bereit für den Strand. Das Publikum setzte sich also zur Wehr, erschuf mit lauter dicken, kleinen, runden, langen, großen und schiefen Körpern Gegenbilder: ein Zeichen, das beweist, dass die Macht der Bilder im Allgemeinen überschätzt wird und sie das Kaufverhalten nicht uneingeschränkt lenken. Trotzdem werden sie immer wieder behandelt wie Drogen.
Gerade nackte Körper haben es den Pädagogen unter den Medienkritikern angetan. Der US-Sender Fox News zensierte ein Gemälde von Pablo Picasso und verpixelte die heiklen Körperteile der dargestellten Frauen von Algier, die gerade zum Rekordpreis versteigert wurden. Der Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg will nun sogar ein Gesetz erlassen, das sexistische Werbung im öffentlichen Raum verbietet. Die Politik meint es mit diesem Vorstoß (ein Wort, das vermutlich ebenfalls bald abgeschafft wird) zwar nur gut. Sie will die Bürger, die sie offenbar für bescheuert hält, vor veralteten Rollenbildern schützen. Dennoch wirkt der Gesetzesentwurf kaum durchdacht.
Sexismus bezieht sich ja nicht nur auf die Frau, die am Sahneeis leckt, sondern in einer gleichberechtigten Gesellschaft auch auf den Mann. Deshalb hat das Unternehmen Abercrombie & Fitch auch die Collegeboys oben in der Bildstrecke gefeuert. Bisher beschäftigte der Kleidungshersteller halb nackte Jünglinge in seinen Läden, damit sie die Kunden zum Kauf anreizen. Die Geschäftsführung hält das sogenannte "sexualisierte Marketing" nun nicht mehr für zeitgemäß. Wenn wir aber sowohl auf den verführerischen Anblick von Knaben als auch von Frauen verzichten müssen, wird sich eine ästhetische Leerstelle ergeben. Was sehen wir statt Sex? Wie werden unsere Bilder aussehen, wenn ihre Gestalter nicht mehr durch Körper verführen dürfen?
Für "sexy" gibt es natürlich Sinnbilder – fetischisierte Produkte zum Beispiel. Möglich wären jedoch auch ästhetische Kategorien, die bisher eher aus anderen Bildproduktionsbereichen bekannt sind: "Niedliche" Beiträge setzen sich im Internet durch, ebenso wie "krasse". Stirbt der Sex aus, bleiben Kindchen- oder Gewaltschemata. Sind das wirklich so gute Alternativen?