Was genau ist der Realismus Club und welche Ziele verfolgt er?
Oliver Vahrenholt: Der Realismus Club ist ein Kunstformat, das wir mit zwei weiteren Freunden im letzten Jahr gegründet haben. Wir wollen zeitgenössische Kunst in einem, wie wir denken, neuen Rahmen präsentieren. Außerdem versuchen wir, den Künstlern Produktionskostenbeiträge zur Verfügung zu stellen – was bisher leider keinesfalls selbstverständlich ist. Aber auch der Dialog mit den Künstlern ist wichtig für uns. Langfristiges Ziel ist, zwei unabhängige Ausstellungen im Jahr durchzuführen, durch die sich unser Projekt im besten Fall selbst tragen kann.
Was bedeutet der Name und wie sind Sie auf die Idee gekommen, dieses Projekt zu initiieren?
Dorothea Herlemann: Die Herangehensweise, mit der wir dieses Format etablieren wollen, zeichnet sich durch einen gewissen Pragmatismus aus. Wir haben uns überlegt, was auf dem Kunstmarkt in Berlin fehlt, wo die Probleme liegen und wie man das, ganz realistisch gesehen, besser gestalten könnte – deswegen Realismus. Wir wollen aber nicht nur Kunst zeigen und Ausstellungen organisieren, sondern wir möchten auch, dass es einen sozialen Ort gibt, an dem man über Kunst redet. Es wird immer mehr digitalisiert und weniger an realen Orten kommuniziert. Zusätzlich zur Ausstellung wollen wir deshalb Veranstaltungen organisieren, bei denen ein Diskurs angeregt wird – daher der Club-Gedanke.
Ist diese Lücke in der Kulturlandschaft, von der Sie sprechen, berlinspezifisch?
Dorothea Herlemann: Wir sind schon von der Berliner Kunstszene ausgegangen, Teilaspekte davon kann man aber sicher auch auf die europäische Kunstszene übertragen. Berlin hat allerdings eine sehr spezifische Kulturlandschaft: Unglaublich viele Künstler leben hier, oft unter ziemlich prekären Bedingungen und trotz der vielen Galerien gibt es zu wenig Budget. Auch die Zwischennutzung von Flächen ist Teil dieser momentanen Dysfunktionalität in Berlin. Es gibt so viele leerstehende Räume, aber die Idee, dort unabhängige Ausstellungen zu organisieren, fehlte bisher. Man müsste eigentlich noch weiter gehen und Möglichkeiten anregen, in diesen Zwischennutzungen Künstlerateliers entstehen zu lassen.
Ihre erste Ausstellung heißt „Konkrete Utopien“. Was kann man sich darunter vorstellen?
Dorothea Herlemann: Der Begriff der konkreten Utopie ist geprägt von der Philosophie Ernst Blochs. Es sind keine romantischen Utopien, deren Nichtgelingen von vornherein bestimmt ist, sondern sie orientieren sich an den realen Gegebenheiten. Es wird gefragt: Was ist da, aber noch nicht realisiert? Es geht darum, mit der gegebenen Realität auf eine kreative und hoffnungsvolleArt umzugehen.
Die Ausstellung findet in einem alten Postgebäude in Schöneberg statt. Inwiefern interagieren die Arbeiten mit diesem Ort?
Dorothea Herlemann: Teilweise entstehen die Werke erst dort, zum Beispiel bei Kevin Kemter, der eine Art Paralleluniversum in die Halle baut, einen "kontrollfreien Ort", wie er das nennt. Das sind quasi kleine konkrete Utopien, die er da baut. Die Künstler Matthias Wermke und Mischa Leinkauf zeigen eine Videoarbeit, die im Untergrund von Berlin entstanden ist. Sie gehen an Orte, die zwar zugänglich sind, normalerweise aber nicht besucht oder ganz übersehen werden. Dabei geht es um die Zurückeroberung von öffentlichen Räumen und die Freiheit, sie so zu nutzen, wie man möchte.