Lynn Hershman Leesons Werk war bislang meist nur in Ausschnitten zu sehen. Kinogänger könnten ihre Regiearbeiten mit Tilda Swinton kennen – sie hat Spielfilme wie "Leidenschaftliche Berechnung" (1997) und "Teknolust" (2002) gedreht. Im ZKM Karlsruhe fügen sich nun ihre Arbeiten aus bald fünf Jahrzehnten zu einem beachtlichen Kompendium politischer Kunst, mit der die 1941 geborene Amerikanerin die Gender-Problematik schon thematisierte, als das Wort noch kaum diskursfähig war. Die Künstlerin hat sich immer wieder mit der gesellschaftlichen Herstellung sexueller Identitäten beschäftigt, mit Rollenklischees, Exhibition und Voyeurismus unter den Bedingungen der totalen Überwachung. Neuerdings auch mit Genmanipulation, Umweltverschmutzung und Robotik.
Wie Messekojen sind Hershman Leesons künstlerische Projekte auf dem weiten Ausstellungsgelände des ZKM verteilt. Chronologische oder thematische Führungslinien gibt es nicht. Das Werk stellt sich wie eine große Versuchsanordnung dar, die in Aktionen und Installationen, konzeptuellen Reihen und interaktiven Anlagen provokante Fragen variiert. Dabei sehen die Anfänge, die bis zum Beginn der 60er-Jahre zurückreichen, akademisch gesittet aus. Hershman Leeson malte und zeichnete, als wollte sie noch eine Weile die Tradition bedienen. Aber schon mit ihren frühen Skulpturen tat sie den Schritt von der Wandkunst weg zur Raumkunst. Ihre Kästen, die – den dunklen Charme von Joseph Cornells Assemblagen aufnehmend – aus Abgüssen des eigenen Gesichts sprechende Monster und "Breathing Machines" machen, gehören zu den eindrücklichsten Stücken der Schau.
Bekannt wurde die Künstlerin in der zweiten Hälfte der 70er mit ihrer Langzeitperformance als "Roberta Breitmore", bei der sie in selbst geschaffenen Kostümen als Kunstfigur auftrat, die mit geradezu verletzender Präzision nach den Mustern des damaligen amerikanischen Frauenbildes konstruiert war. Roberta schminkte sich und toupierte die Haare wie all die weiblichen White Anglo- Saxon Protestants ringsum, sie hatte ihre Kreditkarte und erzählte einem Psychologen von ihren Männerfantasien. Und sie führte über ihr Doppelleben penibel Buch und bewahrte jedes Roberta-Relikt wie ein Testat auf.
Es ist ein wenig billig, wenn die listige und subtile Aktion heute als "Vorwegnahme von Second Life" gepriesen wird. Die nachwirkende Kraft des Projekts gründet nicht zuletzt in seiner analogen Struktur, in der fast altmeisterlichen Maskenbildnerei, bei der es gerade nicht um Simulation, sondern um Körperanverwandlung ging, um Erfahrung am eigenen Leib. Weshalb es dann auch eines Schlussakts bedurfte, um Roberta wieder loszuwerden. Sie konnte nicht einfach verschwinden wie ein Avatar in der Online-Welt.
Dass Hershman Leesons technisches Equipment aus heutiger Sicht oft etwas unbeholfen, zuweilen unfreiwillig komisch wirkt, macht die Schau nur auf eine gescheite Weise unterhaltsam. So wenig, wie es der Künstlerin um die Entwicklung avancierter Medienkunst ging, so wenig eignen sich ihre Arbeiten als Illustrationen für eine Podiumsdiskussion. Es ist ein sehr eigenständiges Werk, das hier in einer mustergültigen Präsentation zu entdecken ist.
"Lynn Hershman Leeson. Civic Radar", ZKM Karlsruhe, bis 6. April
Wie Messekojen sind Hershman Leesons künstlerische Projekte auf dem weiten Ausstellungsgelände des ZKM verteilt. Chronologische oder thematische Führungslinien gibt es nicht. Das Werk stellt sich wie eine große Versuchsanordnung dar, die in Aktionen und Installationen, konzeptuellen Reihen und interaktiven Anlagen provokante Fragen variiert. Dabei sehen die Anfänge, die bis zum Beginn der 60er-Jahre zurückreichen, akademisch gesittet aus. Hershman Leeson malte und zeichnete, als wollte sie noch eine Weile die Tradition bedienen. Aber schon mit ihren frühen Skulpturen tat sie den Schritt von der Wandkunst weg zur Raumkunst. Ihre Kästen, die – den dunklen Charme von Joseph Cornells Assemblagen aufnehmend – aus Abgüssen des eigenen Gesichts sprechende Monster und "Breathing Machines" machen, gehören zu den eindrücklichsten Stücken der Schau.
Bekannt wurde die Künstlerin in der zweiten Hälfte der 70er mit ihrer Langzeitperformance als "Roberta Breitmore", bei der sie in selbst geschaffenen Kostümen als Kunstfigur auftrat, die mit geradezu verletzender Präzision nach den Mustern des damaligen amerikanischen Frauenbildes konstruiert war. Roberta schminkte sich und toupierte die Haare wie all die weiblichen White Anglo- Saxon Protestants ringsum, sie hatte ihre Kreditkarte und erzählte einem Psychologen von ihren Männerfantasien. Und sie führte über ihr Doppelleben penibel Buch und bewahrte jedes Roberta-Relikt wie ein Testat auf.
Es ist ein wenig billig, wenn die listige und subtile Aktion heute als "Vorwegnahme von Second Life" gepriesen wird. Die nachwirkende Kraft des Projekts gründet nicht zuletzt in seiner analogen Struktur, in der fast altmeisterlichen Maskenbildnerei, bei der es gerade nicht um Simulation, sondern um Körperanverwandlung ging, um Erfahrung am eigenen Leib. Weshalb es dann auch eines Schlussakts bedurfte, um Roberta wieder loszuwerden. Sie konnte nicht einfach verschwinden wie ein Avatar in der Online-Welt.
Dass Hershman Leesons technisches Equipment aus heutiger Sicht oft etwas unbeholfen, zuweilen unfreiwillig komisch wirkt, macht die Schau nur auf eine gescheite Weise unterhaltsam. So wenig, wie es der Künstlerin um die Entwicklung avancierter Medienkunst ging, so wenig eignen sich ihre Arbeiten als Illustrationen für eine Podiumsdiskussion. Es ist ein sehr eigenständiges Werk, das hier in einer mustergültigen Präsentation zu entdecken ist.
"Lynn Hershman Leeson. Civic Radar", ZKM Karlsruhe, bis 6. April