Berlin gilt als eine der kreativsten Städte der Welt und zieht damit zahlreiche Kunstschaffende und Kulturliebhaber an. Die Stadt zählt rund 200 Museen und Sammlungen, 400 Galerien, mehr als 90 Kinos, 150 Bühnen und Theater sowie mehrere große Sinfonieorchester und Opernhäuser.
Angesichts dieser Vielfalt war der Aufschrei groß, als die angekündigten Kürzungen im Kulturbereich im Zuge der Berliner Sparmaßnahmen in Milliardenhöhe bekannt wurden. Trotz lautstarker Proteste von Kulturschaffenden sollen 131 Millionen Euro – etwa zwölf Prozent des geplanten Budgets – im Kultursektor eingespart werden. Erste Konsequenzen zeigten sich bereits im Dezember: Die Berliner Schaubühne schloss die Spielstätte "Studio", die Volksbühne strich zwei Produktionen für 2025, der Museumssonntag wurde abgeschafft.
Jetzt sind erstmals auch Arbeitsräume von bildenden Künstlern von den Kürzungen betroffen. Dabei hatte Berlins Kultursenator Joe Chialo noch 2023 angekündigt, die Zahl der Ateliers, Studios und Probenräumen – damals 2.000 im Bestand und 500 in der Entwicklung – bis Ende des Jahrzehnts zu verdoppeln. Stattdessen droht jetzt einer der ältesten Institutionen im "Arbeitsraumprogramm" das Aus: einer Initiative des Berufsverbands Bildender Künstler*innen Berlin (BBK), die in Kooperation mit dem Berliner Senat öffentlich geförderte Arbeitsräume an freischaffende Künstlerinnen und Künstler vergibt.
Mangelnde Transparenz bei der Umsetzung
Konkret geht es um das Atelierhaus in der Hobrechtstraße in Neukölln, das seit 1999 mit 21 Ateliers rund 30 Kunstschaffenden Arbeitsraum bietet. Nun soll die Förderung gestrichen werden. Der aktuelle Mietvertrag der Ateliergemeinschaft läuft zum 30. Juni aus – eine Verlängerung ist nicht in Sicht, stattdessen droht die Schließung.
"Es trifft uns nur deshalb, weil wir leicht abzuwickeln sind", sagt Bettina Wächter, Künstlerin der Ateliergemeinschaft Hobrechtstraße. Der Politik, insbesondere der CDU, wirft sie mangelnde Transparenz bei der Umsetzung der Sparmaßnahmen vor. "Noch bis Ende des Jahres hieß es, dass bestehende Atelierhäuser nicht von den Einsparungen im Kultur-Etat betroffen sein werden. Der Senat hält sich nicht an seine Zusagen", so Wächter.
Jährlich sollen durch die gestrichenen Förderungen für die Hobrechtstraße 120.000 Euro eingespart werden. Das sind allein die Mietzuschüsse – das Atelierhaus ist selbstverwaltet organisiert. Wächter betont, dass die Zusammenarbeit mit den Eigentümern des Hauses positiv verlaufe: "Wir erleben oft, dass in Berlin Mietobjekte monetarisiert werden und dann für den Kulturbereich wegfallen. Unsere Vermieterin dagegen setzten sich aktiv dafür ein, dass ihr Haus weiter an Künstlerinnen und Künstler vermietet wird, statt maximale Gewinnmaximierung auf dem Markt zu verfolgen. Das ist einmalig."
In Berlin, wo steigende Mieten und Knappheit von Wohn- und Gewerberaum ein großes Problem darstellen, werde es für die Künstlerinnen und Künstler unmöglich, neue Ateliers zu finden. "Die Räumlichkeiten aufzugeben, ist völlig unwirtschaftlich", sagt Wächter. "Wir werden so ein zentral gelegenes Haus für Künstlerinnen und Künstler in Berlin nicht wiederbekommen."
Die Künstlerin macht deutlich, dass durch die Einsparungen 30 Existenzen ruiniert würden – und damit auch Familien betroffen seien. "Wenn wir keine Arbeits-, Verkaufs-, Präsentations- und Lagerräume haben, dann ist es uns nicht mehr möglich, als Künstlerinnen zu arbeiten. Es werden erhebliche Folgekosten für die Gesellschaft entstehen, wenn wir unsere Arbeitsgrundlage verlieren und damit vor unserer zerstörten Existenz stehen." Auch die Wichtigkeit der Gemeinschaft unter den Künstlerinnen und Künstlern in der Ateliergemeinschaft hebt Wächter hervor: "Wir unterstützen und beraten uns gegenseitig, sind in den Kiez eingebunden und gehen viel in den Austausch, das bereichert unsere Arbeit".
Der operative Träger des "Arbeitsraumprogramms", Kulturraum Berlin gGmbH (KRB), stellt nun eine Verlängerung des Mietverhältnisses um ein Jahr in Aussicht – eine vage Schonfrist. Doch auch die KRB selbst soll nach nur knapp vierjährigem Bestehen durch die Sparmaßnahmen wieder abgeschafft werden.
Ohne Arbeitsräume sterbe die Kunstszene
Aus den Kürzungen ließe sich eine grundsätzliche negative Haltung gegenüber Kunstschaffenden herauslesen, so Wächter. "Von Seiten der Politik gibt es immer wieder die Vorstellung, dass Förderungen für erfolgreiche Künstlerinnen und Künstler irgendwann überflüssig werden. Dass jedoch hochqualitative Kunst auf dem Markt eine zuverlässige Einkommenquelle wird, ist eine romantische Idee, die an der Realität scheitert." Auch wer mit seiner oder ihrer Kunst erfolgreich ist, sei in der Regel auf Förderungen angewiesen. "Nur etwa 2 Prozent der Hochschulabgänger in der Sparte Bildende Kunst können von ihrer Kunst leben, das ist die harte Realität. Gleichzeitig sind es jedoch die vielen aktiven Künstler:innen, die Berlin zu seiner lebendigen Attraktivität verholfen haben." Ohne Arbeitsräume, betont die Künstlerin, sterbe die Kunstszene.
Bildende Künstlerinnen und Künstler gehören per se zu den Gruppen in der Kunstszene, die am schlechtesten abgesichert seien, da sie freiberuflich arbeiten und keine Institutionen wie Theaterhäuser oder Kompanien hinter sich stehen haben. "Unser Atelierhaus schafft einen Präzedenzfall", sagt Wächter. "An uns wird ein Exempel statuiert. Deswegen ist es jetzt so wichtig, dagegen vorzugehen und zu protestieren – auch stellvertretend und zukunftsweisend für andere Atelierhäuser."