"C the Unseen"

Chemnitz will als Kulturstadt überraschen

Logo der Kulturhauptstadt Chemnitz
Foto: dpa

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Vom "Manchester Sachsens" zur Kulturhauptstadt Europas: Chemnitz will 2025 Kunstinteressierte aus dem In- und Ausland von sich überzeugen. Ein Ausblick

2025 lädt Chemnitz als Kulturhauptstadt Europas Besucher aus dem In- und Ausland ein, Verborgenes und bisher Ungesehenes zu entdecken. "C the Unseen" heißt das Motto, das über den mehr als 1000 geplanten Veranstaltungen steht. Am Rathaus werden schon die Tage bis zum großen Eröffnungsspektakel gezählt. Was hat die Stadt im kommenden Jahr zu bieten? Und lohnt es sich, dafür nach Sachsen zu kommen?

Als Industriestadt galt Chemnitz einst als "Manchester Sachsens", im Vergleich zu anderen Städten aber eher als Aschenputtel denn als kultureller Leuchtturm. Doch im Schatten von Dresden und Leipzig hat sich hier immer wieder kulturelle Blüte entwickelt, wovon etliche Bauten in der Stadt zeugen. Der Architekt Henry van de Velde hinterließ in Chemnitz Anfang des 20. Jahrhunderts seine Spuren und der Expressionist und "Brücke"-Mitbegründer Karl Schmidt-Rottluff machte in der Stadt seine ersten künstlerischen Erfahrungen. In der DDR gab es hier eine lebendige Kunstszene, die sich der staatlichen Kulturpolitik entzog. Dafür steht etwa die Künstlergruppe Clara Mosch. 

Trotzdem war es für viele eine Überraschung, als Chemnitz im Oktober 2020 von einer Jury den Kulturhauptstadt-Titel zugesprochen bekam. Nürnberg, Hannover, Hildesheim und Magdeburg hatten das Nachsehen. 

"Die stille Mitte aktivieren"

Mit ihrer Bewerbung hat die Stadt Mut bewiesen und keinen Hehl aus ihren Wunden gemacht. Im Gegenteil: Sie wurden der Bewerbung vorangestellt. So etwa die Bilder vom Spätsommer 2018, als Chemnitz international wegen rechtsextremer Exzesse für Negativschlagzeilen sorgte. Damals gab es rassistische Angriffe, von Hetzjagden auf Ausländer war die Rede. Auch das Kerntrio der Terrorzelle NSU hatte nach seinem Untertauchen zeitweise unbehelligt in der Stadt gelebt und hier Unterstützer. 

Erklärtes Ziel der Kulturhauptstadt ist es, die "stille Mitte" zu aktivieren - jene Menschen, die sich nicht an politischen Debatten beteiligen oder politisch engagieren und so indirekt einer gesellschaftlichen Radikalisierung Vorschub leisten. Zugleich sollen die Macher-Qualitäten der Region in den Fokus rücken.

Doch was erwartet die Besucher? Rund 440 Seiten ist das Ende Oktober vorgestellte erste Programmbuch dick. Geplant sind laut Programmgeschäftsführer Stefan Schmidtke mehr als 200 Projekte und 1000 Veranstaltungen. Zu den Höhepunkten gehört eine große Ausstellung zum norwegischen Maler Edvard Munch, der 1905 in Chemnitz war und hier mehrere Gemälde schuf. Ein Parcours mit nationaler und internationaler Kunst führt als "Purple Path" von Chemnitz durch das Umland und zeigt Arbeiten etwa von Tony Cragg, Sean Scully und James Turrell. Und Museen der Region präsentieren ab Ende Januar Exponate in einem "Museumcircle" nach John Cage.

Auftakt am 18. Januar

Bei einem Marathonlauf verwandelt sich die Strecke zur längsten Bühne der Welt mit Musik von Klassik bis Hip-Hop und Elektro. Die Sportkultur wird zudem mit einer grenzüberschreitenden Radtour gefeiert, die an die Internationale Friedensfahrt erinnert. Geplant sind auch eine Tanz-Entdeckungsreise durch die Stadt nach James Joyces Jahrhundertroman "Ulysses" sowie eine Neuauflage des Demokratiefestivals Kosmos mit zuletzt rund 70.000 Besuchern. 

Derweil will das Festival Begehungen das ehemalige Braunkohlekraftwerk der Stadt in eine Galerie für zeitgenössische Kunst verwandeln. Und ein Pilot-Dokumentationszentrum informiert über den NSU-Komplex und die Geschichten der Opfer und Angehörigen der rechtsextremen Mord- und Terrorserie. 

Eingeläutet wird das Kulturhauptstadtjahr am 18. Januar. Dazu werden 70.000 bis 100.000 Besucher erwartet. Neben Programmen auf mehreren Bühnen sind ein Festakt im Opernhaus, ein Rave auf dem Marktplatz und eine große Eröffnungsshow am Karl-Marx-Monument geplant - dem bekanntesten Wahrzeichen der Stadt. Details der Show will Lars-Ole Walburg bisher nicht nennen. Der renommierte Regisseur verantwortet das Programm der Eröffnungsfeier.

 "Hotspot des Expressionismus"

Durchgesickert ist allerdings, dass 120 Menschen eine historische Dampflok durch die Innenstadt ziehen werden. Die Aktion verweist auf die Geschichte von Chemnitz und ist zugleich Sinnbild des "kollektiven Anpackens", wie Walburg erläutert. 

Für das Programm im Kulturhauptstadtjahr ist den Angaben zufolge ein Budget von mehr als 30 Millionen Euro vorgesehen. Erwartet werden rund zwei Millionen Besucher, darunter viele internationale Gäste. "Das Kulturprogramm zeigt auf beeindruckende Weise, wo 2025 das kulturelle Herz Europas schlagen wird: in Chemnitz!", konstatierte vor einiger Zeit Bundeskulturstaatsministerin Claudia Roth (Bündnis 90/Grüne). 

Einiges soll auch über 2025 hinaus Bestand haben. Dazu gehören nicht nur die Kunstwerke am "Purple Path". Auch das Ensemble Karl Schmidt-Rottluff gehört dazu. Es umfasst das einstige Wohnhaus und die Mühle der Eltern des Künstlers und "Brücke"-Mitbegründers. Es soll dauerhaft als neues Museum, technisches Denkmal und Veranstaltungsort Interessierte anlocken. Die städtischen Kunstsammlungen sprechen von einem "Hotspot des Expressionismus" in Chemnitz und darüber hinaus.