Georg Baselitz in Dresden

Die B-Seiten alter Meister

Einer wie Georg Baselitz malt nicht nach der Natur, er malt nach anderen Künstlern: tropft wie Pollock, leiht sich de Koonings pastosen Pinselstrich. Und, überraschender: variiert auch alte Meister. In den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden sah Baselitz als Gymnasist zum ersten Mal Gemälde im Original: Raffael, Rembrandt, Tizian, Giorgione. In diesem Herbst ist er anlässlich seines 75. Geburtstags zu einer neuerlichen Begegnung zurückgekehrt. Für die Schau „Hintergrundgeschichten“ wählte er zwölf Bilder aus den hiesigen Sammlungen aus und konfrontiert sie mit eigenen Werken.

Die meisten der Werke hat Baselitz in den vergangenen zehn Jahren geschaffen, sie belegen seine kontinuierliche Auseinandersetzung mit den Klassikern. Die „Frau mit Raben am Abgrund“ aus der Radierung von Caspar David Friedrich findet sich überraschend gut erkennbar in der „Frau am Abgrund“ wieder, gestürzt, statt des Raben ein quer gestellter Schatten ihrer selbst an der Seite. Etwas indirekter, dafür umso suggestiver sind die Parallelen von Vermeers „Bei der Kupplerin“ zu der „Remix“-Version, in der Baselitz 2007 sein düsteres Porträt des „Modernen Malers“ noch einmal interpretierte: Ist der Künstler heute der Kuppler? Sicher ist, Baselitz hat nicht nur die Pose der Hauptperson, sondern auch die Teilung des Bildes in eine ornamentale und eine Figurenhälfte übernommen – was bei Vermeer ein Teppich leistet, erreicht bei ihm eine Art Geäst.

Schwung bekommt die Schau vor allem durch Respektlosigkeit: Raffaels „Sixtinische Madonna“, die dem Maler schon immer zu akademisch erschien, übersetzte er in eine Hundemeute. Und selbst die Präsentation wirkt letztlich ironisch. Baselitz wollte die alten Meister den neuen Bildern gleichstellen, indem er sie als Reproduktion auf ähnliche Formate aufblasen ließ. So hängen nun Poster in knalligen Farben wie aus dem heimischen Farbdrucker neben den baselitzschen Großformaten. So poppig hat man die ehrwürdigen Klassiker noch nie gesehen. Aber das Schöne in Dresden: Die Originale befinden sich an ihrem angestammten Platz in der Sammlung. Man muss nur ein paar Säle weitergehen. Und der eigene Remix entsteht im Kopf.

"Georg Baselitz. Hintergrundgeschichten", Galerie Neue Meister der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, bis 2. Dezember