Duft-Designer Francis Kurkdijan

"Ein Parfüm wird mit dem Gehirn und nicht mit der Nase kreiert"

Francis Kurkdjian auf der Opera Garnier in Paris, 2016
Foto: © picture alliance / abaca

Francis Kurkdjian in der Opera Garnier in Paris, 2016

Der Parfümeur Francis Kurkdijan setzt Duft-Trends, kreierte eine Essenz für Babys und macht immer wieder Ausflüge in die Kunstwelt. Ein Gespräch über den Geruch von Galerien und Düfte als Gefühlsbilder
 

Monsieur Kurkdjian, warum passen Kunst und Düfte so gut zusammen?

Jede Kunst ist eine Form von Sprache, um eine Geschichte zu erzählen, Emotionen zu erzeugen und eine Vision zum Ausdruck zu bringen. Man kann sagen, dass sich zwischen der bildenden Kunst und dem Parfümeurhandwerk im Laufe der Geschichte eine Beziehung entwickelt hat, die geprägt ist durch gemeinsame ästhetische Prinzipien. Da sind handwerkliches Können, kulturelle Bedeutung, symbolischer Reichtum, sensorische Ansprache und Innovation. Alles Elemente, die sie in der menschlichen Erfahrung eng miteinander verbinden. Düfte sind meine Sprache. Ich glaube aber, dass Parfüm in einem Flakon keine Kunst ist, denn Parfüm soll angenehm sein und gefallen. Es soll Gefühle hervorrufen und Verführungskraft haben, Vergnügen, Glamour, etwas Positives vermitteln. In der Kunst geht es um das ganze Spektrum der Emotionen. Dieser Unterschied ist für mich sehr wichtig. Schönheit in der Kunst kann durch dunkle Gedanken oder Hässlichkeit und Elend vermittelt werden. 

Wie riecht die Kunstwelt?

Die Kunstwelt ist komplex, wie soll man da ihren Geruch beschreiben? 

Es gibt Menschen, die behaupten, in allen Galerien rieche es nach Ihrem Duft Baccarat Rouge 540 ...

Düfte verändern sich mit kulturellen Ereignissen, mit der Entwicklung des Geschmacks. Mit dem Zeitgeist, oder l'air du temps, wie wir auf Französisch sagen.

Sie haben zum Beispiel am Schloss von Versailles Le Jardin du Parfumeur, den Parfümeur-Garten, unterstützt. In der Orangerie blühen heute um die 300 Pflanzen, die in der Parfümerie verwendet werden, ein Ort, an dem sich seit dem 17. Jahrhundert der Beruf des Parfümeurs entwickelte. Es riecht dort nach Lavendel, nach Cola, Bergamotte. Wie riechen Ihre olfaktorischen Installationen?

Ich habe an mehreren Duftinstallationen gearbeitet, an geschichtsträchtigen Orten wie dem Château de Versailles, an dem früher die Brunnen parfümiert wurden. Oder dem Grand Palais in Paris. Auch in Tempeln der Moderne, wie bei der Expo Shanghai 2015. Jeder Ort erzählt eine andere Geschichte, alle riechen anders. Kürzlich zum Beispiel, habe ich "Salomé", die Oper von Richard Strauss, in der Wiener Staatsoper mit einem Parfüm beduftet, das den Übergang zwischen Kindheit und Pubertät, eine Art sexuelles Erwachen, durch sehr fleischliche Noten evozieren soll. Zurzeit arbeite ich an einem Projekt in Zusammenarbeit mit der Manufacture de Sèvres, das im November in Shanghai zu sehen sein wird und die kulturellen Beziehungen zwischen Frankreich und China über die Themen Porzellan und Rosen aufgreift. 

Sie haben Ihre eigene Maison und arbeiten für Dior, jedes Jahr kommen neue Düfte auf den Markt. Kreieren Sie manchmal Aromen für eine bestimmte Zielgruppe?

Ich richte mich nicht an Menschen oder eine Altersgruppe. Das interessiert mich überhaupt nicht. Ich folge auch keinen Trends, ich kreiere, weil ich etwas zu sagen habe, weil ich Gefühle ausdrücken will. Ein Komponist schreibt Musik, ich kreiere Düfte. In meiner Maison habe ich eine Freiheit, die es mir erlaubt, Menschen schöne Emotionen zu ermöglichen. Das ist die Philosophie meiner Duftgarderobe, ein Portfolio an Düften, die man je nach Gemütszustand auswählen kann.

Aber Sie haben für ein neues Parfüm immer zuerst einen Namen, bevor Sie die Formel entwickeln, warum?

Im Riechen, im Fühlen liegt unsere Menschlichkeit. Das, was uns von Maschinen und künstlicher Intelligenz unterscheidet. Ein Parfüm wird mit dem Gehirn und nicht mit der Nase kreiert. Worte haben ihren eigenen Rhythmus und ihre eigene Musik. Sie erschaffen eine Welt. Ich träume von meinem Duft, und erst dann beginne ich mit dem Schreiben der Formel. Wie soll man etwas erschaffen, wenn man nicht weiß, was man sagen will? Maler verwenden Farben, Musiker Noten, ich Düfte. Inspiration ist für mich die Epoche, in der wir leben, meine persönlichen Erfahrungen. Um relevant zu sein, muss man mit seiner Zeit und der Welt um einen herum verbunden sein. Ich liebe, wie Menschen miteinander umgehen, ich liebe kulturelle Unterschiede. Ich lasse mich also nicht von Rohstoffen inspirieren, das macht man nur, wenn man sonst nichts zu sagen hat. Während ich arbeite, konzentriere ich mich zunächst auf ein Gefühl. Dann versuche ich, mir das Bild für den Duft vorzustellen und ihm einen Namen zu geben.

Wie riecht ein Gefühl, wie die Liebe?

Für jeden anders. Für mich ist es der Geruch der Haut am Hals meiner Liebsten.