Alle Jahre wieder ist Leo-Print angesagt. Ob das Muster königlich oder trashig daherkommt, darüber lässt sich streiten, nicht aber über dessen Zeitlosigkeit. Der Stoff, an dem sich die Geister scheiden, ist derzeit wieder auf den großen Laufstegen zu sehen, unter anderem in Kollektionen von Luxus-Marken wie Dolce & Gabbana, Stella McCartney und Jil Sander.
Und auch Bottega Veneta zeigte das US-amerikanische Model Kendall Jenner in einer Kampagne Anfang 2024 in einer Leo-Robe. Der Hype ist nicht wirklich neu, nur wiedererwacht. Seine Wurzeln reichen weit zurück; so weit, dass die erste Begeisterung für das gefleckte Muster sich nicht auf bedruckte Stoffe bezog, sondern auf tatsächliche Tierfelle.
Pharaonen und Könige
Schon im alten Ägypten wurden Leopardenfelle als Bekleidung getragen. Die Tiergewänder waren aber nicht jedem zugänglich, sondern vielmehr der damaligen Oberschicht vorbehalten. So ist der Pharao Tutanchamun auf einem Gemälde in einer Leopardenfell-Weste dargestellt, und auch Prinzessin Nefertiabet ist auf einer Opfertafel, die rund 2500 Jahre vor Christi entstand, in ebendieses Muster gehüllt.
Aber nicht nur in Ägypten, sondern auch im antiken Rom und in Griechenland war die Ästhetik beliebt. Die Gottheit Dionysos, beziehungsweise Bacchus, die für Fruchtbarkeit und Rausch steht, wurde darin gezeigt und avancierte so zum modischen Vorbild. Dionysos mag damit die erste Figur sein, die dem Leo-Muster die bis heute anhaftende Doppeldeutigkeit verlieh: einerseits das Machtvolle, Göttliche und Königliche, andererseits das Verruchte. Die nächste Begeisterungswelle rund um Leoparden-Kleidung wuchs im 18. Jahrhundert heran, als die Felle ein beliebtes Mitbringsel von Übersee-Reisen und damit ein begehrtes Statussymbol unter Aristokraten wurden.
Nicht für jede etwas
Im 20. Jahrhundert wurde das Raubtierfell vor allem durch die Pin-up-Girls der 1940er-Jahre populär, die sich in entsprechenden, meist knappen Outfits zeigten. Ein besonders prominentes Beispiel für den Look ist Bettie Page, deren Bilder in Leopardenwäsche zwischen echten Raubtieren ikonisch wurden. Auch Ava Gardner und Cyd Charisse wurden in ähnlichen Posen gezeigt.
Bei diesen Darstellungen ging es aber nicht nur um eine bestimmte Optik. Vielmehr wurden Frauen in den Fellen als tierisch, triebhaft und sexualisiert dargestellt. Zugleich waren die Referenz-Raubkatzen stark und gefährlich - auch die Konnotation weiblicher Macht lag also in dem Look. Trotz all dessen wurde der Leo-Print meist in die Ecke des Ordinären geschoben.
Herausgeholt und erneut umgedeutet wurde das Muster vom französischen Modeschöpfer Christian Dior, der es mit den berühmten Worten "If you are fair and sweet, don’t wear it", kommentierte. Unter ihm wurde der Leo-Print auf Stoff erfunden, und die Ästhetik erhielt erstmals Einzug in die Haute Couture. Grund für Diors Auseinandersetzung mit dem Leopardenfell soll seine Muse, die Französin Mitzah Bricard, gewesen sein, die selbst eine große Vorliebe für das Raubtier hatte. Sie war es, die Dior dazu veranlasst haben soll, Accessoires und Kleider mit Leo-Druck zu entwerfen und zu vermarkten.
Die First Lady im Leoparden-Mantel
Als offizielle Stilikone für den auffälligen Look galt aber schließlich eine andere; niemand geringeres als Jackie Kennedy, in den 60er-Jahren First Lady der USA. Im Jahr 1962 zeigte sie sich in einem Leopardenmantel von Oleg Cassini, allerdings nicht aus bedrucktem Stoff, sondern aus echtem Fell. Sie löste mit ihrer Kleiderwahl eine weltweit hohe Nachfrage nach Echtfellkleidung aus - und damit eine vermehrte Jagd auf Leoparden. Für Kleidung wurden in den folgenden Jahren rund eine Viertelmillion Raubkatzen getötet.
Vorbei war dies erst in den 70er-Jahren, als der Animal Print vor allem im Rock´n´Roll-Milieu auftauchte und mehr als Zeichen der eigenen Rebellion denn als Marker einer hohen sozialen Klasse getragen wurde. Die Modemarke Roberto Cavalli brachte zur gleichen Zeit Leo-Prints auf verschiedenen Stoffen heraus, zum Beispiel auf Seide. Es blieb das Hauptwerk des Labels. Der heute verstorbene Designer sagte über seine Kollektionen einst: "Wenn es jemanden gibt, dem ich für meine Karriere danken sollte, ist es Gott, der Schöpfer des Animal Print – und damit der größte aller Designer."
Göttlich oder billig?
Doch auch, wenn man Gott als ersten Schöpfer des Leopardenmusters bezeichnet, verhinderte das nicht, dass das Ansehen des einst königlichen Stoffs bald schon wieder sank. Er wurde als billig bezeichnet, landete auf der Straße und vermehrt in Rotlichtvierteln.
Gerade das mag dazu geführt haben, dass sich Popstars das Muster in den 90er-Jahren wiederum neu vornahmen. Victoria Beckham trug während ihrer Zeit bei den Spice Girls häufig Leo-Miniröcke, auch Mel B., ihre Bandkollegin, trat in entsprechenden Overalls auf. Wie schon im gesamten 20. Jahrhundert waren es vor allem Frauen, die sich in der Optik der Wildkatze zeigten, damit die Interpretation des Musters an sich rissen und immer wieder umdeuteten.
Sie spielten so lange mit dem schlechten, billigen und sexualisierten Ruf, bis es in den Mainstream zurückkehrte. Viele prominente Frauen trugen den Look, der sich jeweils nur für eine beschränkte Zeit dafür eignete, gegen das Establishment zu rebellieren: vom Model Kate Moss über die Schauspielerin Elizabeth Taylor bis zur Autorin Jackie Collins.
Ist da noch Platz für Rebellion?
In diesem Jahr war der Print wieder besonders präsent, vertreten durch edle Designerinnen genauso wie durch Fast-Fashion-Anbieter. Kaum ein Trend kommt so oft wieder wie die tierischen Flecken, kaum eine modische Faszination hält sich so lange - schon seit 4500 Jahren. Und wieder, das wohl ist das Beständigste am Leomuster, mag die Begeisterung dafür dem Vorhaben entsprungen sein, es anderes zu machen.
Die Raubtier-Kleidungsstücke sind das Gegenteil der zurückhaltenden Trends wie "Quiet Luxury" oder dem "Old Money Style", die vor allem auf schlichte Mode setzten und Protz, Prunk und das Auffallen ablehnen. Leo-Print aber kann nicht übersehen werden, er ist laut, "auf die Zwölf", streitbar. Es mag gerade die Sehnsucht danach sein, noch etwas zu finden, mit dem man anecken kann, die die Flecken immer wieder zurückholt.