Bässe stampfen, ein Latzhosenträger mit Cowboyhut schwenkt das Sternenbanner und greint seine Botschaft ins Mikrofon. Sinngemäß lautet sie: Du kannst es schaffen. Jeder Idiot kann es. Trump war es ja auch schon. "Why can't you be the president? Why can't I be – who says I can't?", singt Casey Spooner. Aus gegebenem Anlass hat der US-Musiker und -Künstler seine satirische "Spooner 2020"-Kampagne aufgefrischt. (Dass mit Joe Biden ein anderer – echter – Gegenkandidat US-Präsident wurde, wird Spooner begrüßt haben.) Am vergangenen Dienstag gab es bereits ein Warm-up der hochaktuellen Performance in den Wilhelm Hallen im Norden Berlins. Am Samstag, 14. September, gibt es um 14 und 16 Uhr noch einmal die Chance, das Stück live zu sehen. Am Sonntag, 15. September, starten die Vorstellungen um 14, 16 und 18 Uhr.
Hinter dem Titel "Hallen 05" verbirgt sich ein Kunstfestival auf einem denkmalgeschützten Industrieareal in Reinickendorf, das zum Kulturzentrum umgestaltet wird. Ab Samstag ist dort Kunst aller Sparten zu erleben, gesponsert von drei Privatsammlungen, zwei Institutionen und 16 Galerien. Darunter sind Tanya Leighton mit Antonio Ballester Moreno und Nicole Ondre, Sprüth Magers mit Thomas Scheibitz, Esther Schipper mit der Künstlerin und Schriftstellerin Cemile Sahin, Air de Paris und Peres Projects mit Dorothy Iannone und ChertLüdde mit Ruth Wolf-Rehfeldt. Die Schreibmaschinengrafiken der im Februar in Berlin verstorbenen Künstlerin sind nur ein Highlight der Ausstellung, deren fast durchweg hohe Qualität verschmerzen lässt, dass es keinen übergreifend-kuratorischen Bogen gibt - und auch nicht geben kann.
Man sollte die kaleidoskopische Schau wie eine (hochkarätige) Messe betrachten, wobei eben auch institutionelle Player mitmischen. Neben der Kestnergesellschaft Hannover (Casey Spooner) ist die Berlinische Galerie mit einem Video der deutsch-iranischen Filmemacherin Yalda Afsah dabei. Ihr Film "Curro" wirft Fragen nach Abhängigkeit und Entfremdung von Natur und der sozialen Konstruktion von Maskulinität auf. Im Mittelpunkt des halbstündigen Videos steht der galizische Brauch der rapas das bestas, bei dem Wildpferde aus den Bergen ins Tal getrieben werden, um dort geschoren und markiert zu werden.
Politik muss sein, aber nur Kunst kann uns retten
Bereits zum fünften Mal eröffnen die Wilhelm Hallen, die der Investor und Kunstsammler Philipp Solf gemeinsam mit Omer Arbel gegründet hat. Dieser ist Kreativdirektor des kanadischen Unternehmens Bocci, das für skulpturale Lampen und große Lichtinstallationen bekannt ist. Das große Spektrum zwischen klassischen Verfahren (Malerei, Zeichnung, Holzschnitt) und avancierten Technologien deckt denn auch die Kunst in den Hallen ab. Auf Lena Marie Emrichs Videoloop "Infinity Drift" malt ein Sportwagen, aus dessen Auspuff es pinkfarben qualmt, das Unendlichkeitszeichen der "liegenden Acht" auf den Asphalt – das Ganze aus der Gottesperspektive einer Kameradrohne gefilmt (Galerie Office Impart).
In stark abstrahierter Form kehrt das bei Casey Spooner angerissene Flaggenthema bei Gerwald Rockenschaub (Gemälde und ein Video-Großformat für Mehdi Chouakri) zurück. Vor allem aber auch bei dem Norweger Fredrik Værslev (ebenfalls aus dem Chouakri-Portfolio), der zehn seiner großformatigen "World Paintings" zeigt. Formal verbunden sind die stark umgestalteten und ins Hochformat gedrehten Flaggenmotive durch das Weiß (das in allen von Værslev ausgewählten Nationalflaggen vorkommt). Zwischenfazit in den "Hallen 05" könnte sein: Politik muss sein, aber nur die Kunst kann uns retten.