Markus Oehlen - crucial head kicking etc.
Venus am PC, Kassette vor Milchkanne, Plastik mit Autoradio – herzlich Willkommen, nur hereinspaziert, mitten hinein in das Labyrinth des Doktor Oehlen, in die wundersame Welt des Künstlers, Malers und Bildhauers, Zeichners und Grafikers, des Musikers, ehemals Schlagzeuger bei „Charley`s Girls“ und „Mittagspause“, Visual-Artisten, Experimentators par excellence, des Crossover-Multi-Genies Markus Oehlen. Auf einen ersten Blick, besser, beim ersten Versuch, über die bildhaften Dinge des Oehlschen Oeuvres intellektuell Herr zu werden, muss man a) entweder daran verzweifeln, oder b), sich in ewiger Sinnsuche verlieren, willkürlich sinnierend über Symbolik und Bedeutung zunächst völlig unzulänglicher Kompositionen. Hier folgt nichts einer Linie, einem Raster, nur einer Hierarchie; hier herrscht Autonomie, in allen Belangen, auf allen Ebenen, konsequent, ja, verstörend. Es will das eine nicht zum anderen, was der Vernunft folgend rein rational vorherzusehen, kommt hier anders, geht sich nicht aus. Schön ungemütlich, könnte man sagen, spielt hier die Wahrnehmung dem Geiste einen Streich. Vermessene Räumlichkeit, Neo-Geo kontrastiert den hemmungslosen Aktionismus eines Jackson Pollock, oder, feinskizziert, eines Cy Twombly; Gesichter, Fratzen tauchen auf, verschwinden, szenische Sequenzen, wie aus einer Erinnerung, am Horizont; totes Insekt, technische Gerätschaften, angedeutet Bewegung, Dynamik, wieder Statik, Statistik, Perspektive – Bruch, Zensur, Zerstörung, überall, nicht zuletzt des eben gefassten Gedankens.
Oehlen, einst Kind der „Jungen Wilden“, auch Anhänger der Punk-Bewegung, hat mit Expression, mit Expressionismus, lange schon nicht mehr viel am Hut. Er steuert schnell dagegen, spürt seiner Gesinnung nach, die ihn, durchaus in Anlehnung an den Gedanken der Streetart, hin zu einer neuen, einer ganz eigenen Formulierung von Malerei führt. Er wird zunehmend konzeptuell, konstruktiv, projiziert zigfach auf Leinwand, lange Zeit via Overheadprojektor, später per PC samt Beamer; eine Vorzeichnung geht voraus, Farbe, von Lack über Dispersion bis Öl, Drucktechniken, vorzugsweise Linolschnitt, Collagen, Papierschnipsel, das Rakel füllen, führen aus; es wechseln Perspektive und Motivik, gehen ineinander über, zerfließen. Immer wieder Versatzstücke, verfremdend, ironisierend - zynisch. Sigmar Polke klingt an, laut und deutlich, auch Dada, Kubismus, eine neue, eine moderne Form der Entzauberung des Altmeisterlichen, der Hohen Kunst, der konservativen, tut sich auf – frei nach SPUR, der ersten kollektiv auftretenden Künstlergruppe im Nachkriegsdeutschland: „Wer Kultur schaffen will, muss Kultur zerstören.“
Abstraktion und Figuration verschmelzen gekonnt zu einem zeitgeistigen „Melting Pot“ an fragwürdigen Formen, die – rotzig bis provokant – in Frage stellen: Gesellschaft, Digitalisierung, Reiz- und Bildüberflutung. Komprimiert korrigiert, subversiv systematisiert, perfide ausgeklügelt kommen gerade seine neuen Arbeiten daher, zeugen von hohem Knowhow und Routine über Technik und Effizienz, von einer ungebändigten Experimentierfreude; aktuelle Themen werden hier wie selbstverständlich zum Motto, respektive spürbar, wahrhaftig – kongenial, genial.
Markus Oehlen, 1956 in Krefeld geboren, von 1976 bis 1982 Student an der Kunstakademie Düsseldorf bei Alfonso Hüppi, stellt bereits 1984 bei „Metro Pictures“ in New York aus, mit Werner Büttner, Martin Kippenberger und Albert Oehlen, seinem Bruder. Es folgen Ausstellungen in der Neuen Nationalgalerie Berlin, im Museum Ludwig Köln, in der Schirn Kunsthalle Frankfurt, in Spanien, Portugal, immer wieder New York, 1993 sogar im Museum of Modern Art. 2002 schließlich landet er als Professor an der Akademie der Bildenden Künste München, als legendärer Kunst-Professor, der ebenda bis 2023 sein kreatives Unwesen treiben soll, unter anderem Schüler wie Mehmet & Kazim, Daniel Man und Jürgen Winderl hervorbringt. Er lebt, was er malt, und malt, was er lebt, in einzigartiger, ganz eigener Manier: Als (womöglich einziger) Vertreter des so genannten, vom Künstler selbst und zurecht erfundenen „Pop Informel“ schreibt er Kunstgeschichte, ob er nun will oder nicht. Eine solch konstruierte wie wilde Malerei, die Abstraktion und Figuration gegenüberstellt, mit fragmentierten Überlagerungen, Samplings arbeitet, in gemalten, gezeichneten und collagierten Schichten vorgeht, den Spirit der Popkultur aufgreift, und die Pop mit der Op Art und dem Kunsthandwerk verknüpft, im Sinne von Konzeptkunst - ein solches Etwas hat es noch nie gegeben. Was liegt da beispielsweise näher, als Digitalisierung vorzugaukeln, malerisch ad absurum zu führen, mit einem breiten Grinsen im Gesicht?
„Die Malerei selbst wird zum Akt der Bildfindung, das Zeichnen, die Figur, entsteht und verfließt im „Malerischen“ selbst; Form, Farbe und Licht geraten zu einer sich selbst definierenden und begrenzenden Bedeutungsebene, auf der der Betrachter seine wiederum formenden Sehmöglichkeiten zu einem Ganzen, zu einem Verständlichen, zusammen zu fügen hat.“ So der renommierte Kunsthistoriker Professor Rainer Crone über Markus Oehlen, ihn, den ewigen Behüter der Malerei, der für Haltung und Arbeit zum und am bildnerischen Begriff steht. Unweigerlich. Bravo.