Hans-Christian Schink: Unter Wasser
Als vor rund 12.000 Jahren die Gletscher der letzten Eiszeit schmolzen und das Eis sich allmählich zurückbildete, entstand im heutigen Nordosten Deutschlands, in Mecklenburg-Vorpommern, eine von zahllosen Gewässern durchzogene Landschaft. Diese Landschaft mit den typischen glazialen Oberflächenformen Grundmoräne, Endmoräne, Sander und Urstromtal ist die Region mit dem höchsten Anteil an Wasserflächen in Deutschland. Flüsse und Bäche von insgesamt 26.000 km und mehr als 2.200 Seen prägen die Topografie. Letztere bildeten sich hauptsächlich in von den Gletschern ausgeschürften Mulden oder in durch deren Schmelzwasser entstandenen Erosionsrinnen. Neben diesen Gewässern bestimmt vor allem eine weitere eiszeitliche Hinterlassenschaft das Landschaftsbild: Tausende von Toteislöchern, sogenannte Sölle. Diese fruchtbare Region wurde vor allem zu DDR-Zeiten intensiv landwirtschaftlich genutzt. Nach der Wende wurden diese Flächen großflächig unter Schutz gestellt und es gibt seither stetige Bemühungen zum Erhalt der Biodiversität dieser Seenlandschaft. Andererseits schreitet auch die Industrialisierung der Landwirtschaft weiter fort. Dazu kommt, dass jahreszeitlich und klimatisch bedingte Schwankungen des Wasserstands sowie der Temperatur durch den Klimawandel zugenommen haben.
So bleiben die Auswirkungen menschlicher Zivilisation der größte Risikofaktor für den Bestand dieser Biotope.
Der Fotograf Hans-Christian Schink zeigt in seiner Serie „Unter Wasser“, die zwischen 2020 und 2021 in den Gewässern der Mecklenburgischen Seenplatte entstand, die erstaunliche Biodiversität, die sich unter der Wasseroberfläche dieser Seen verbirgt. Er ging dabei nach dem Prinzip des „kontrollierten Zufalls“ vor: an Stellen die ihm geeignet schienen, hielt er seine Kamera unter Wasser, ohne das Bild im Sucher kontrollieren zu können. Ein Teil der Aufnahmen wurde in flachen Uferzonen oder Gräben realisiert, für tiefere Areale kamen schwimmende Unterlagen zum Einsatz. Dem Betrachter dieser Bilder öffnet sich eine erstaunlich vielfältige Unterwasserwelt: poetisch anmutende, bisweilen bizarre Pflanzenformen, vielfältigste, je nach Sonneneinstrahlung divergierende Lichtbrechungen.
Hans-Christian Schink (*1961)
Der in Erfurt geborene, an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst ausgebildete und längst zu den großen deutschen Gegenwartsfotografen zählende Hans-Christian Schink ist ein Langzeitbeobachter. Besonders interessiert ihn Landschaft an der Schnittstelle zwischen natürlicher Voraussetzung und menschlicher Einflussnahme. Bekannt wurde Schink vor allem durch seine siebenjährige Dokumentation „Verkehrsprojekte Deutsche Einheit“, die die gewaltigen Eingriffe des Menschen in die Natur für diese Straßen – und Eisenbahnprojekte aufzeigt.