Schon das Treppenhaus entführt in eine andere Welt. Diese wirkt dekadent, verbindet die Opulenz des Jugendstils mit der Eleganz eines Luigi Colani und das dann wieder mit überdrehtem Cyber-Style. Und sie ist von vorne bis hinten surreal. Im komplett türkisblau gestrichenen Treppenhaus hängen einzelne überdimensionierte Ohren (mit Ohrring!) herum, dazu Köpfe oder auch nur Frisuren von Knebel und Scheirl, und, noch seltsamer, menschengroße alleinstehende Finger – da fallen die goldenen Guglhupf-Formen an der Wand gar nicht mehr auf.
Das österreichische Künstler-Duo hat in Hamburg eine neue Version seiner Ausstellung im Pariser Palais de Tokyo inszeniert und dabei einen romantischen Doppelgänger-Effekt eingebaut: Die Pariser Schau ist als Wandtapete hinter der Neuinszenierung noch einmal präsent und kitzelt so den Gedanken an die Differenz zwischen Original und Kopie, Vergangenheit und Gegenwart heraus. Neben den beiden Hauptfiguren Scheirl und Knebl in verschiedenen interessanten Aufmachungen hat man in der Ausstellung noch allerlei andere seltsame Begegnungen.
Glänzende Skulpturen vor verspiegeltem Midcentury-Interieur erinnern ans Hans Arp und entpuppen sich als Barbapapa und Barbamama aus den bekannten Kinderbüchern. Bei den Brunnenskulpturen im Hintergrund bleiben wir in den 1970er-Jahren: Sie sind vom Designer Luigi Colani inspiriert, der früh organische Formen in seine Entwürfe integrierte. Das dreht die Installation mit Keramikpenissen im orangefarbenen Waschbecken, die prachtvolle Wasserfontänen ejakulieren, mit Witz ins Obszöne.
Die seltsame Mischung aus Designzitaten und Körperlichkeit
Die Skulpturen mit den ausladenden Hinterteilen, die so aufrecht um die Badezimmermöbel herumsitzen wie Damen des 19. Jahrhunderts beim Teetrinken, sind mit bräunlichem Cordstoff überzogen – das treibt die seltsame Mischung aus Design-Zitaten und Körperlichkeit auf die Spitze. Wenn die gleiche Szenerie noch als Film auf einem Tablet den Hintergrund zu einer Tanzperformance des Künstlerduos als Avatare darstellt, ist das Doppelgänger-Spiel vom Bild im Bild im Bild um eine weitere Ebene reicher.
Das Duo ist immer dann am besten, wenn es die muffige 70er-Jahre-Ästhetik mit der Kraft des Surrealen sprengt, wenn es Dandytum und Hedonismus als Zeugen für Inszenierungen aufruft, die Kategorien, Körperteile und Geschlecherzeichen zum Rotieren bringen. Die Malereien von Ashley Hans Scheirl, die in der ersten Etage viel Raum bekommen, können dagegen mit den tollen Rauminszenierungen nicht ganz mithalten. Aber insgesamt ist es spannend zu sehen, wie diese beiden künstlerischen Persönlichkeiten das Kollektive und Individuelle parallel führen.
Und in der dritten Etage öffnet sich die Ausstellung sogar noch weiter: Hier werden Arbeiten von Studierenden der Klasse für Transmediale Kunst von Jakob Lena Knebl an der Universität für Angewandte Kunst in Wien und der Klasse für Zeitbezogene Medien an der HFBK in Hamburg von Angela Bulloch gezeigt; im durchaus produktiven Dialog mit einigen Werken aus der Sammlung Falckenberg.